Alles paletti
die Leute sind alle draußen, als sei es acht Uhr abends und nicht nach ein Uhr nachts. Da ist ein Walgreens. Zahnpasta. Sie sieht Chaim herauskommen und wartet hinter einer Palme, von der sie nicht weiß, ob sie echt oder aus Plastik ist. Sie will ihm momentan nicht begegnen. Sie ist sich nicht sicher, was sie überhaupt will.
»Hey, schaut mal, was ich gefunden habe.« Izzi zieht aus seiner Tasche ein paar zusammengefaltete Blätter. »Tipps zum Spielen an den Slotmaschinen. Wir haben das in Minnesota aus dem Internet geholt.«
»Lies vor«, sagt Jonsy, der sein werweißwievieltes Bier trinkt.
Izzi liest vor: »Die meisten Maschinen sind darauf programmiert, zwischen dreiundachtzig und neunundneunzig Prozent des eingeworfenen Gelds wieder auszuschütten. Die meisten werden von einem Mikrochip betrieben, der einen Zahlenzufallsgenerator enthält.«
»Und das sind ihre Tipps?«, erkundigt sich Jonsy.
»Hier, die Methode des Einmal-Spielens: Nimm einen Spieletat, den du im Voraus für dich festgelegt hast, und übertrage ihn zur Gänze und auf einmal auf einen einzigen Spielautomaten. Nachdem du ihn verbraucht hast, nimm deine Gewinne und geh. Die Methode des Rechtzeitig-Aufhörens: Wenn die eingenommene Summe höher als dein ursprünglicher Etat ist, spiel mit dem verbleibenden Überschuss des Etats an dem gleichen Automaten.«
»Zu kompliziert«, kritisiert Schlomi.
»Aber da ist was Interessantes: Die Slotmaschine stimuliert grundlegende menschliche Emotionen, einschließlich Erwartung, Hoffnung und Glück. Diese Tatsache macht die Maschinen zu Goldminen.«
»Sehr schön«, sagt Jonsy und stellt die Flasche mit einem Knall zu hart auf dem Tisch ab.
Entfernt euch ein paar Kilometer von der Stadt, und das Lärmen der Spielautomaten, das Getöse der Menschen, Autos, Shows und Amüsements legt sich allmählich, verklingt und verweht, bis zum Schweigen der Wüste. Die vollkommene Leere. Die absolute Dunkelheit. Die unglaubliche Stille. Kein Leben regt sich. Die schönste existierende Landschaft. Die Landschaft des Nichts.
Morgen ist ein neuer Tag.
HEUTE IST FREITAG
Das Erste, was Achmadan Pozailov am Freitagmorgen spürt, ist seine Schulter. Danach hört er den Hagel. Er setzt sich mit halbgeschlossenen Augen im Bett auf und meint, er höre ein Maschinengewehr. Das Zweite, was er an jenem Morgen verspürt, sind Kopfschmerzen. Er richtet seine Augen blinzelnd auf den Tisch in der Mitte des Zimmers und sieht eine Flasche Stoli Vanille. Leer. Die Augen schließen sich wieder. O Gott, Stoli Vanille. Wie tief sind wir gesunken?
Nach dem Morgengebet vorm Fenster, mit Ausblick auf den Swimmingpool, der sich mit Regen und Hagel füllt und eine niedrige Dampfwolke aufsteigen lässt, zieht Schlomi einen Zettel mit den Telefonnummern der jüdischen Gemeindemitglieder in Las Vegas aus der Tasche.
Er wählt die erste Nummer. Dem »Hallo« nach ist er sich sicher, dass er mit einem Israeli spricht.
Er sagt: »Guten Morgen und ein frohes Fest.«
»Guten Morgen, wer sind Sie?«
»Sie kennen mich nicht. Ich heiße Schlomi. Ich befinde mich wegen meiner Arbeit gerade außerhalb und muss heute Abend in Vegas bleiben. Ich habe Ihre Nummer von meinem Rabbiner in New York erhalten. Ich suche einen Platz, um dort den Seder zu feiern.«
Seine Stimme ist noch leicht rau von gestern Nacht.
»Äh … ich verstehe«, antwortet der Mann und entschuldigt sich umgehend, dass es nicht so gut passen würde. Die ganze Familie sei aus Israel eingetroffen.
Beim zweiten Anruf meldet sich eine nettere Frau. Sie hat
zwar keinen Platz, doch sie gibt Schlomi eine weitere Telefonnummer.
Durch das Fenster sieht Schlomi eine der beängstigenden Windungen der Berg- und Talbahn des Hotels. In der Nacht, bevor sie ins Bett gefallen sind, hatte Jonsy gesagt, dass sie unbedingt eine Runde mit dieser Bahn fahren müssten. Momentan liegen er und Izzi noch im Tiefschlaf.
Er ruft die dritte Nummer an.
Bingo. Die Frau, die antwortet, ist wirklich liebenswürdig. Sie sagt, sie möchte noch ihren Mann fragen, und Mano übernimmt das Gespräch. Er plaudert ein paar Minuten mit Schlomi und gibt ihm dann die Adresse. Schlomi erkundigt sich: »Ist es in Gehweite? Ich will nach Eintritt des Festes nicht fahren.« Mano antwortet: »Es ist nicht wirklich in Gehweite vom Strip, eine Stunde oder eineinhalb kann es schon dauern. Wenn Sie ein Taxi vor Festanbruch nehmen, können Sie bis nach Festausgang hierbleiben. Sagen Sie, wo genau am Strip
Weitere Kostenlose Bücher