Alles paletti
Straße, Geld kostet. Die Exits der Schnellstraßen, vor denen jeweils ein großes Schild installiert ist, das das genaue Ausmaß des Vergnügens auflistet, das denjenigen erwartet, der hier abfährt: McDonald’s, Burger King, Taco Bell und der ganze Rest. Und dem gegenüber die gewaltige Natur Amerikas, Flüsse, Seen und Sümpfe; Palmen, Sequoien und Kiefern; weite Felder und steile Hügel, Felsen und sandige Meeresstrände.
Bei den großen Städten siehst du die Skyline von Downtown. Du eignest dir eine Methode an, eine Stadt nach ihrer Skyline zu beurteilen, von den ringförmigen Umgehungsstraßen aus gesehen: Chicago überwältigend, Indianapolis nett, Cincinnati unbedeutend, Atlanta beeindruckend. Du lernst die Gesetzmäßigkeit der Straßennummerierung: Die Straßen mit den geraden Zahlen verlaufen von West nach Ost, die mit den ungeraden immer von Norden nach Süden. Die zweistellig nummerierten Straßen, die durch zehn teilbar sind, ziehen sich von West nach Ost durch den gesamten Kontinent von Küste
zu Küste, vom Highway Nr. 10 im Süden bis zum 90er im Norden. Die zweistellig nummerierten Straßen dagegen, die auf Fünf enden, verbinden Nord mit Süd: 95 entlang der Ostküste, 55 im Mittleren Westen, 15 im Westen. Aber die dreistelligen, die mit einer Fünf enden, haben eine andere Aufgabe: Das sind die Ringstraßen der Großstädte - 465 um Indianapolis, 695 um Washington herum. Ein riesiges Straßennetz, eine Verkehrsmaschine. Die Signale wiederholen sich, bringen die Fahrer in einen Rhythmus, eine Ordnung. Die Amerikaflagge und die Bögen von McDonald’s: zwei Zeichen, die dich überallhin begleiten, dich beruhigen, dir sagen, dass du in einer Art Zuhause bist, an einem sicheren Ort. Außer du bist in Texas. Texas ist eine andere Geschichte. Dort liegen statt überfahrener Katzen Gürteltiere mit zerschmetterten Panzern am Straßenrand. Texas hat seine eigenen Gesetze.
Du bleibst in den Außenbezirken von Städten, deren Namen du noch nie gehört hast, im Stau stecken, du durchquerst Wüstengegenden in Gedanken an Indianer, zuckelst langsam die Berge hinauf, versuchst, beim Hinunterfahren die Bremsen zu schonen, stoppst in Kleinstädten und Kaffs mit Namen wie Harmony, Jerusalem, Lebanon oder Hamburg (dreiundzwanzig Einwohner), steuerst den Lastwagen in einem verzwickten Rückwärtsmanöver mitten in der vor Menschen und Autos überquellenden Downtown einer riesigen Stadt wie Phoenix (fünf Millionen Einwohner), in der du fast niemanden je gesehen hast und nie wieder sehen wirst.
Du triffst sie alle: die Schwarzen, die Indianer, die weißen Millionäre in New England und den weißen Pöbel, White Trash, in den weniger hübschen Vierteln von Pittsburgh, die Russen und Koreaner, den Australier indischer Abstammung, der junge Schwarze an der Universität in Georgia unterrichtet.
Die Alten in den klapprigen Wohnwagen in Kansas, die in verrauchten Lokalen Pancakes essen, die es nicht ins neue Millennium drängt, und daneben die jungen Collegeschüler, die mit Chipgeschwindigkeit darauf zusausen.
Jonsy hat seine eigene Rassentheorie, die besagt: »Die Schwarzen sind echt bekloppt. Als ich in Israel war, hatte ich auch diese ganzen Ideen von der Gleichheit aller und hab die ganzen NBA-Spieler bewundert, aber wenn du hierherkommst und sie siehst, alle möglichen fetten Bimbos, die dir fast den Laster ruinieren, und die ganzen Typen in den Vierteln, da siehst du, aber echt, die sind megabekloppt. Heulen die ganze Zeit rum, dass man sie ins Knie fickt, aber du kannst sehen, dass sie überhaupt nichts machen, um da rauszukommen.« Jonsy hat auch noch andere starke Theorien. Der Chinese? »Schmutzig. Einmal haben wir einen Laden umgezogen, wir sind fast umgekippt von dem Geruch.« Koreaner? »Bomber« - zu welchem Schluss er, wie sich herausstellt, als Folge eines dicken Trinkgelds gekommen ist -, und dann die Inder und so weiter und so fort. Die Araber, speziell die Palästinenser, erhalten bei ihm eine hohe Punktzahl (eines seiner großen Streitthemen mit vielen Movern).
Izzi sagte einmal zu ihm: »Aber wie kannst du die Schwarzen beschuldigen? Hunderte Jahre lang waren sie Sklaven. Man hat sie fertiggemacht, hat ihnen keine Chance gegeben. Die Umstände haben sie erledigt. Es ist keine Kunst zu sagen, warum saufen sie den ganzen Tag, hängen rum und fangen nichts mit sich an. Die Frage ist, was sie so weit gebracht hat.«
»Nichts außer sie selber. Es ist ganz leicht, dauernd zu jammern und zu klagen.
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