Alles paletti
Nur weil dein Großvater ein Sklave war, musst du den ganzen Tag auf der Treppe sitzen und große
Bierflaschen aus einer braunen Tüte köpfen? Das ist Bullshit. Sie sollen aufhören rumzujaulen und endlich was mit sich selber anfangen.«
»Du bist überheblich.«
»Ich und überheblich? Und du bist ein Weichei.«
Auf dem Highway Nr. 80 in Richtung Westen wird die Landschaft bald weniger städtisch, dünnt aus, und auch die Atmosphäre in der Kabine wird weniger New-York-City-like. Die Sonne hat sich nach dem Regen herausgewagt, Schnee bedeckt die Felder. Es ist bitterkalt. Izzi fährt. Jonsy ist vorher ausgestiegen, um seinen Fuß auf den Schnee von Ohio zu setzen. Izzi hat ihn gefragt: »Gilt Schnee? Musst du nicht bis zum Boden graben und da draufsteigen?« Und Jonsy hat geantwortet: »Markier hier nicht den Klugscheißer.« In Bezug auf seinen Aberglauben versteht Jonsy keinen Spaß.
Kurz vor der Grenze zwischen Ohio und Indiana, immer noch auf dem 80er, wechselt Izzi, ohne richtig aufzupassen, die Spur und schneidet einen Wagen. Der Fahrer, ein dicker Schwarzer, zeigt ihm den Mittelfinger. Jonsy verflucht ihn auf Hebräisch, als sich ihre Blicke treffen. Danach wird der Regen so heftig, dass man die Straßenränder nicht mehr sehen kann. Izzi fährt stur geradeaus den weißen Streifen auf der Fahrbahn nach. Bei der Geschwindigkeitsbeschränkung ist die Verkehrspolizei von Ohio die rigoroseste in den USA. Schlomi ist hier schon mit Bußgeldern überschwemmt worden, auch Jonsy. Izzi hält sich strikt an die fünfundfünfzig Meilen in der Stunde.
Izzi hat keinen Lastwagenführerschein. In den Vereinigten Staaten kann man Lkws mit vierundzwanzig Fuß, wie der blaue Laster von Sababa, mit einem normalen israelischen Pkw-Führerschein fahren. Anfangs hat er beim Abbiegen immer
andere Autos rasiert, in einer engen Gasse Chicagos einen Strommasten verbogen. Beim ersten Mal hat er seine Personalien an dem angefahrenen Auto hinterlassen. Jetzt weiß er, dass man einfach weiterfährt. Noch eines der Gesetze des Dschungels - mit einem großen Lastwagen liegt die Macht in deinen Händen. Wer kann dir was?
Langsam und allmählich hat er Manhattan kennengelernt, die stark befahrenen Avenuen. Anfangs blieb er in einer Spur kleben, erschrak vor jedem Rollerblader, der ihn schnitt, ganz zu schweigen von anderen Lastwagen. Mit der Zeit wuchs seine Selbstsicherheit, er fing an, die Spur zu wechseln, zu überholen, bei Gelb über die Ampeln zu fahren. Jonsy hat ihm beigebracht: »In Manhattan sind die Taxifahrer die besten und die Busfahrer die schlimmsten Fahrer.«
Sie sind noch ungefähr vier Stunden von Chicago entfernt. Fahrer, die von dort kommen, erzählen im Radio von einem entsetzlichen Chaos auf den Straßen. An einer Tankstelle in Indiana weckt Izzi Jonsy, damit er auf den Boden Indianas treten kann. Mit geschlossenen Augen hievt er sich hoch, stößt »Kack mit Soße« aus, steigt auf die heilige Erde der Tankstelle hinunter, klettert wieder hinauf und schläft noch eine Stunde weiter. Bevor er jedoch einschläft, holt er zwei Dollar heraus und gibt sie dem Tankwart, der versucht, die vereiste Windschutzscheibe zu säubern.
Wenn man nicht redet, denkt man viel. An Menschen und Orte, an Sex, an Pläne. Arrangiert sie innerhalb der weißen Streifen, die die Fahrbahn entlanglaufen, im Schneefall und in den unendlichen Weiten. Jonsy denkt darüber nach, was er mit den Millionen anfangen wird. Wenn Jigal recht hat, haben sie zig Millionen Dollar auf dem Laster. Auch wenn sie das Ganze für viel weniger losschlagen sollten, wären es immer noch
einige Millionen für jeden. Er stellt sich pausenlose Reisen durch die ganze Welt vor, er sieht ein schönes Leben vor sich, einen Mercedes, einen Porsche und ein Haus, doch er ist sich nicht sicher, wo. In New York? Warum nicht, Chen könnte in Ruhe studieren. Jerusalem? Wahrscheinlich. Nicht dass er gesteigerte Lust hätte, wieder dort zu leben. Argentinien? Karibik? Neuseeland? Er würde Freunde aus aller Welt dorthin einladen, es gäbe Partys …
Izzi denkt - Haifa. Er und Daphna würden eine große, schöne Wohnung kaufen, am Karmel oder wo immer sie möchte. Mit allen Geräten und sämtlichen ultramodernen Schikanen. Er wird ihr Geld geben, mit dem sie machen kann, was sie will. Er wird ihr Studium bezahlen. Sie muss nicht mehr arbeiten. Und in jedem Urlaub wird er mit ihr ins Ausland reisen, wohin sie will. Er wird sie herholen, damit sie diese Landschaften, die Orte
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