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Alles paletti

Titel: Alles paletti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Assaf Gavron
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man darf auf keinen Fall die Zeichensprache vergessen. Zum Beispiel bedeutet die kleine Fingergeste »Moment noch« der Israelis bei den Italienern »fick dich ins Knie«. Es gab einige Mover, die wegen dieses läppischen Irrtums Prügel bezogen.
    Und nicht zu vergessen, ganz besonders wichtig: Erfindungs-und Improvisationsgabe sowie das Talent, Überraschungen, eventuell auch ziemlich böse, zu bewältigen, die ständig daherkommen, und zwar aus allen möglichen Richtungen, vom
Himmel, von der Straße, vom Boss, vom Kunden. Zum Beispiel ein Möbelstück, das größer als die Tür ist und sich nicht zerlegen lässt, bei dem sich der Kunde nicht erinnern kann, wie es einmal hereingekommen ist. Was tun?
    In den letzten Jahren hat sich Jonsy des Öfteren gefragt, wie man Israelis einen so wichtigen Job überlassen kann.

AMERIKA!
    Im Deli an der sechsten Avenue rüstet sich Izzi mit einem Becher Kaffee, Orangen-Bananen-Tropicanasaft und Hershey-Küssen, und Jonsy ersteht einen Kaffee, roten Grapefruit-Tropicanasaft und ein Croissant.
    Aus New York nach Westen über die George-Washington-Brücke hinauszufahren ist wie der Austritt aus einem Vakuum. Etwas löst sich, irgendein Druck, der in der Luft hing. Wenn man noch ein wenig in Richtung Turnpike weiterfährt und auf Manhattan zurückblickt, sieht man diese hohen Gebäude anders. Celine Dion singt gerade von ihrem Herzen, als Izzi und Jonsy zurückschauen und den Regen sehen, der auf Manhattan fällt, die grauen Wolken darüber. Dieses Bild lässt jedes Mal, wenn du in die Stadt hinein- oder aus ihr herausfährst, bei rosigem Sonnenaufgang, in einer hellen Nacht, bei Sonne oder Schnee, einen Muskel im Herzen zucken. Sogar Izzi, der die Hochhäuser hasst, der New York, wo alles groß und bedrohlich ist, nicht sonderlich leiden kann, sogar er verspürt ein Flattern. Jonsy sagt immer: »Die heilige Stadt.«

    Jonsy hält beim ersten Truckstop, steigt aus dem Lastwagen und tritt auf den Boden von New Jersey, klettert wieder hinein und fährt weiter. Jonsy hat ein Gesetz, einen Aberglauben gegen den bösen Blick: In jedem Staat, den sie auf der Fahrt passieren, auf jedem Ferntrip, muss er aussteigen, um den Boden unter den Füßen zu spüren. Auch wenn es nur für eine Sekunde ist und der Asphalt einer Tankstelle. Dieses Gesetz befolgt er schon seit Jahren, und er kann es nicht ändern. Jonsy sagt, das bringe ihm Glück; wenn er den Boden des Staates unter den Füßen spüre, stelle er mit ihm und seinen Menschen eine Verbindung her. Es sei eine Gewohnheit, sagt er, und er fürchte sich davor, sie jetzt zu ändern.
    Izzi probiert die Radiosender durch, versucht, etwas Normales zu finden. Howard Stern ist längst vorbei, und nach intensiver Suche findet sich nur Phil Collins, A-HA, die Celine Dion von der »Titanic«. »Das sind die Sachen, die dir am Ende den Rest geben«, stöhnt Izzi. »Zuletzt sitzt du mit Celine Dion oder Phil Collins da, und das ist dir dann schon lieber als der widerliche Country oder Rock.«
    Betrachtet man die Landkarte der Vereinigten Staaten, sieht man zwei Hälften. In der östlichen Hälfte sind die Staaten kleiner, dichter gedrängt, mit asymmetrischen, unberechenbaren Grenzen. Das Ganze wirkt irgendwie neurotisch und chaotisch, zusammengepfercht, geschäftig. In der westlichen Hälfte befinden sich die größeren Staaten, riesige Flächenblöcke mit geraden, klaren Abgrenzungen. Und sie sind leerer, ruhiger. Haben Raum und Luft.
    Die großen Entfernungen und die langen Highways haben ihren eigenen Zauber. Du fährst durch ein weites, nicht enden wollendes Land, Sofas, Bücher und Fahrräder von wildfremden Leuten in deinem Rücken. Du bist bedeutungslos. Du
fährst, um zu fahren. Dein rechter Fuß drückt im Grunde nur aufs Gaspedal, deine Hände halten bloß das Steuerrad, und ein Kontinent zieht an dir vorbei. Die Straßen sind breit, der Mond hängt rund dort oben im leicht violetten Himmel, du hörst im Radio »You Can’t Always Get What You Want«. Und du weißt, es stimmt.
    Du siehst die blassen Gesichter der Fahrer, die in großen Autos sitzen - amerikanische Straßenkreuzer, geräumig und bequem. Die Streifenwagen der Verkehrspolizei, die in jedem Staat eine andere Farbe haben, jedoch das gleiche blinkende Licht, die gleiche verlangsamende Wirkung auf die Fahrzeuge ringsherum. Die Tankstellen und Recreation Areas. Die Mautstationen, die den Verkehr wie ein Trichter einsaugen, um dich daran zu erinnern, dass in Amerika alles, auch die

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