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Alles paletti

Titel: Alles paletti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Assaf Gavron
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sich abschminken, dass der Laster durchfährt. Wir laden die Chicago-Fuhre in der Früh aus und fahren erst dann nach Minnesota weiter.«
    Izzi fragte: »Sagst du ihm dann Bescheid? Er wollte doch, dass wir direkt nach Minnesota fahren und danach erst nach Chicago zurück.«
    »Wieso?«, grinste Jonsy.
    Zwei Fahrer mit imposanten Schnurrbärten und Cowboyhüten saßen an der Bar und starrten auf den Wetterkanal, wo vom schneereichsten März in der Geschichte Indianas und Illinois’ berichtet wurde. Eine hübsche Kellnerin bediente sie. Jonsy hörte einen der Trucker sagen: »Was hat die für einen Prachtarsch«, und der zweite Trucker nahm lachend einen geräuschvollen Schluck von seiner Cola. Als die Bedienung an dem Fahrer vorbeikam, fragte er sie, ob sie mit ihm nach Louisiana kommen wolle. Sie erwiderte: »Wenn ich doch bloß könnte, aber weißt du, ich mag Louisiana nicht, und dich mag ich auch nicht.« Sie lachten.

    Wenn man am Morgen die Handbremse löst, auf das Gaspedal drückt und in Richtung Highway hinausfährt, mit einem Becher Kaffee und schlafverklebtem Gesicht, sieht man am Straßenrand unter dem Schnee zusammengebrochene Bäume und völlig in Weiß gehüllte Häuser an den Seen. Das Radio meldet, dass in Chicago in den letzten Stunden vier Zentimeter Schnee gefallen sind. Die umgestürzten Lkws am Rande des Highways erinnern an Scha’ar Hagai, an die Skelette an der umkämpften Straße nach Jerusalem, nur dass diese Wagen in den letzten vierundzwanzig Stunden umgekippt sind und nicht vor fünfzig Jahren im israelischen Befreiungskrieg. Wenn man plötzlich daran denkt, ist das ziemlich beängstigend. Also denkt man nicht daran.
     
    Town of Pines ist ein Städtchen in Indiana, unweit der Grenze zu Michigan am Südufer des Michigansees. Es gibt Holzhäuser dort mit Veranden von der Sorte, wie man sie in allen Filmen über amerikanische Kleinstädte sieht, und im Zentrum fließt ein kleiner Bach. Jonsy manövrierte den Lastwagen im Rückwärtsgang an die Veranda des Kunden, der über die Verspätung von einer geschlagenen Woche sehr wütend war. Jonsy schob die Schuld auf Chaim. Das war leicht, er erzählte dem Kunden bloß die wahre Geschichte - die Sachen hatten im Lager gewartet, bis der Lastwagen voll war. »So arbeitet mein Boss«, sagte Jonsy. »Ich versuche ihm zu erklären, dass das die Kunden sauer macht, aber er hört nicht auf mich.« Der Kunde bot ihnen etwas zu trinken an.
    »Sind Sie Arzt?«
    »Nein, wieso? Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Nein, ich habe nur ein paar Bücher über Medizin gesehen, das ist alles.«

    »Ich bin Periodontologe.«
    »Aha. Was mit dem Rücken?«
    »Nein, Kiefer. Wo die Zähne im Mund sitzen. Ich erhalte die Kiefer, damit die Zähne nicht ausfallen.«
    Jonsy ging zum Lastwagen hinaus, Izzi kam mit einer Kiste herein, und die Frau zeigte ihm, wo er sie abstellen sollte.
    »Neu hier?«, fragte Izzi.
    »Nein. Wir kehren nach vierzehn Jahren zurück.«
    »Ach wirklich? Und wo waren Sie?«
    »Fort Myers, Florida. Chris hat im Marinekrankenhaus gearbeitet. Aber jetzt ist unser Sohn in Europa und unsere Tochter im College, da haben wir beschlossen, in unser kleines Haus zurückzukehren.«
    »Das ist sicher merkwürdig, wenn die Kinder das Haus verlassen. Ein bisschen einsam, oder?«
    »O ja. Haben Sie Kinder?«
    »Noch nicht«, antwortete Izzi mit traurigem Lächeln. Er dachte an Daphna. »Wie alt sind Ihre Kinder?«
    Das Ehepaar konnte seine Verärgerung nicht lange aufrechterhalten. Jonsy sagte nachher zu Izzi: »Es gibt Leute, die nicht wirklich böse sein können. Sie sind einfach gutherzig im Innern. Du musst ihnen nur das Gefühl geben, dass du auf ihrer Seite bist und sie recht haben, jemand anderen finden, auf den man den Zorn lenken kann, sie ein bisschen aufheitern, und schon hast du sie in der Tasche.«
    Jonsy arbeitete im Lastwagen, Izzi trug alles ins Haus. Es gibt so Momente, da ist man völlig auf die Arbeit konzentriert, ohne den Bullshit drumherum. Jonsy liebte diese Augenblicke. Er liebte es, sich im Lastwagen aufzuhalten, die Ladung aufzubauen - wie beim Tetris, aber lebensecht, wie er immer sagte. Das ist viel komplizierter als in dem Spiel, denn du musst die
Tiefe, die Höhe und das Gewicht der Dinge berechnen, und die Sachen haben keine geraden Ecken. Er genoss es ebenso, die Fuhren auszuladen, zu sehen, wie sich der Lastwagen langsam und allmählich bis zum Schluss leerte. Ein leerer Lastwagen in irgendeinem Loch am Rande Amerikas hat etwas

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