Alles paletti
schauten hinein. Es befanden sich eine Menge Flaschen darin.
»Die jährliche Prüfung«, sagte Jane, »das Auto im Winter starten und es am Laufen halten.« Es herrschte angespannte Stille zwischen ihnen. Die Krisensituation zwang sie, das Schweigen, das sie den ganzen Tag über geübt hatten, zugunsten eines neuen Machtspiels auszusetzen. »Jeden Winter füllt sich das Reservat mit Autoleichen«, fuhr Jane fort.
»Was sollen diese ganzen Flaschen da?«, fragte Jakob.
»Mach dein Auto winterfest: das ist der ganze Besitz, den Wendy im Winter immer anhäuft - Anti-Freezer fürs Benzin, Anti-Freezer für den Radiator, Starterflüssigkeit, Starterkabel …«
»He, das sind ja wohl keine Flaschen.«
Jane unterdrückte ein Lächeln. »… Akkulader, Abschleppseil,
Spaten zum Ausschaufeln … ja, das ist auch keine Flasche, ein Fünf-Kilo-Sack Reis zum Abschleppen und eine Schachtel voller Zwanzig-Dollar-Scheine, bloß so.«
»Das ist ernsthaft Reis?« Jakob befühlte den Sack.
»Das bringt den Schnee zum Schmelzen.«
Jane nahm die Anti-Freezer-Flüssigkeit und tröpfelte sie auf die nötigen Stellen. Jakob war beeindruckt, und dann sagte er: »Versuchen wir jetzt wieder zu starten?«
»Nein, du Blödmann«, sie sah ihn mit einem entnervten Blick an. »Das ist nur, damit uns der Motor und der Radiator in der Nacht nicht einfrieren. Jetzt müssen wir den Abschleppdienst rufen.«
»Okay, dann rufen wir einen.«
Das versetzte sie sofort wieder in Wut. Ihr fiel auf, dass ihr Nervenkostüm ziemlich dünn war. Es gab Momente, in denen war Jakob erträglich, vor allem wenn er schwieg, doch seine unfähige Hilflosigkeit trieb sie zum Wahnsinn. Wie hatte es, ohne dass sie es gemerkt hatte, dazu kommen können, dass sie drei Jahre lang Mama gespielt hatte? Oder vielleicht hatte sie es schon gemerkt, und es war genau das, was sie gesucht hatte? Eine Mutter zu sein. Ihre Augen füllten sich fast mit Tränen. Sie sagte: »Okay, dann rufen wir einen. Wie möchtest du es gern machen? Vielleicht legst du die Hände um den Mund und lässt einen Schlachtruf los?«
»Hmm… gibt’s hier kein Telefon? Vielleicht am Straßenrand?« Er spähte angestrengt die Straße entlang, in beide Richtungen. Erst da begriff er. Der frisch gefallene Schnee war bläulich gewesen, als die Sonne noch schien, jetzt im Dunkeln war er grau. Jane gab ihm keine Antwort. Sie schlug die Karte auf und suchte die nächstgelegene Rest Area. »Es gibt hier eine Raststätte mit Telefon, zwanzig Minuten bis eine halbe
Stunde zu Fuß. Willst du hier bei Wendy warten oder mitkommen?«
Jakob überlegte einen Moment. Die Optionen waren nicht gerade berauschend. Er fragte. »Gibt’s nicht was Näheres?«
Sie starrte ihn an, regungslos, gab keinen Ton von sich. Er sagte: »Also dann, gehen wir.« Im tiefsten Innern seufzte sie erleichtert auf.
»Crazy Horse kam 1868 nicht zum Friedenskongress«, begann Jane unvermittelt zu erzählen. Sie marschierte neben Jakob in der Dunkelheit, und ihre Stimme brach die kalte Stille. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei, dann war der Motorlärm doppelt betäubend. »Er hat Kongresse praktisch immer ignoriert und ging lieber auf die Jagd. Er war ein Krieger mit Ehre, der seine Jagdbeute mit den Schwachen und Alten teilte. Aber er war kein Chief und kein Anführer. Bei einem der Angriffe wurde sein alter Freund Humph getötet, ein dummer Überfall auf die Schoschonenstämme bei extrem schlechten Wetterverhältnissen.
Es gab eine Friedenskonferenz, bei der Red Cloud, als Vertreter der Stämme, ein Friedensabkommen mit dem Weißen Mann unterschrieb. Crazy Horse befand sich inzwischen in einer ernsten persönlichen Krise. Sein Verlangen nach der Squaw Black Buffalo hatte sich nicht vermindert, auch nachdem sie No Water den dritten Sohn geboren hatte. Er widmete ihr weiterhin seine Aufmerksamkeit, trieb sich in der Gegend herum, besuchte sie. No Water war nicht glücklich darüber, aber er hielt sich zurück.«
»Wenn du in dieser Zeit gelebt hättest, wie hätte man dich genannt? Vielleicht Shaking Nerves?«, warf Jakob boshaft ein.
Sie boxte ihn gegen die Schulter. »Sei bloß still. Dich hätten
sie garantiert Kleiner Pimmel getauft. Oder Spatzenhirn. Oder Nix-von-Autos-verstehen-Jude.«
Jake hob gleichzeitig den linken Finger und die linke Braue. »Nicht schlecht, gar nicht schlecht«, grinste er. »Moment mal, du hast doch eigentlich einen indianischen Namen.«
»Toll, Einstein. Erinnert sich doch tatsächlich, dass ich
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