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Alles paletti

Titel: Alles paletti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Assaf Gavron
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dazu, als er einen Bekannten aus der Ukraine in Hamburg auf der Straße traf. Ein Jahr später war er die Nummer zwei in der ukrainischen Organisation, die die Hamburger Glücksspielszene beherrschte. Nach zwei Jahren, stürmisch wie üblich, hatte er wieder genug. Er hörte zu viele Geschichten über Amerika und Brighton Beach, das ukrainische Viertel dort, das »wie Odessa, nur in Amerika« sei. Also reiste er hin, um es sich anzusehen, und zwanzig Jahre später befand er sich immer noch dort.
    In den Siebzigerjahren hatten sich über vierzigtausend Juden in Brighton Beach niedergelassen, einem Viertel der jüdischen Arbeiterschicht, das sich bereits mit den Einwanderungswellen zu Anfang und Mitte des Jahrhunderts gebildet hatte. Die Russen und Ukrainer, viele von ihnen Juden, bauten sich eine geschlossene Welt, die sich an Odessa, der lärmenden Hafenstadt am Schwarzen Meer, orientierte.
    Berkovich begann seine Laufbahn in dem Viertel im Cabaret National Club. Wer ihn einführte, war Arkadi Silber, ein Kindheitsfreund aus dem kleinen jüdischen Viertel in Zatoka, der mit ihm den Hass auf die Moskauer Russen und die Kiewer Ukrainer teilte. Vladimir stieg dort mit der festen Überzeugung ein, dass ihm seine große Erfahrung im Management generell und im Catering im Besonderen sehr schnell zu einer einflussreichen Position in dem Club verhelfen würde. Doch er stieß auf eine Barriere - die aus Kiew stammenden Mafiosi. Er begriff rasch, dass sie einen aus Zatoka bei sich nie aufsteigen lassen würden. Es blieb ihm keine Wahl. Er trat einen
Schritt zurück, und zusammen mit Arkadi Silber gründete er die Zatoka-Gruppe, den südukrainischen Ableger auf der Karte des organisierten Verbrechens der russischen Gemeinde in Brighton Beach.
    Der Anfang war durchschlagend. Das Geld strömte nur so, die Beziehungen mit den anderen Gruppen waren ausgezeichnet. Im ersten Stadium suchte sich Berkovich den Bereich aus, den er aus unmittelbarer Nähe kannte - das Glücksspiel. Er und Silber waren stark an der Achse Brighton Beach - Atlantic City zugange. Sie knüpften die richtigen Beziehungen und erhielten regelmäßig einen schönen Anteil. Vladimir kaufte sich sogar eine Datscha am Schwarzen Meer bei Odessa, wo er jeden Sommer hinreiste, mit einem Zwischenstopp in Bulgarien für ein paar Tage Wellness. Er zog in eine schöne Wohnung in Washington Heights im Norden Manhattans um. Er begann auch, bei einer Privatlehrerin ernsthaft Englischunterricht zu nehmen. Betty, eine Jüdin aus Litauen, die als Kind nach Amerika emigriert war, hatte kohlrabenschwarzes Haar, einen kleinen Mund und ein großes Lachen. Als der Unterricht beendet war, trafen sie sich weiter. Und als Betty anfing, ihm seine russischen Lieblingsgerichte zu servieren, war er völlig erobert: exzellent gekochter Rotkohl, Frühlingszwiebeln in hinreißender Essigbalsamsauce, Blini, russischer Bierkuchen - das ihm womöglich allerliebste Essen auf der Welt -, den besten, den er je im Leben gegessen hatte. Als sie eines Abends zu ihm kam und ihm Bärenfilet mit Speck, Butter und Kognak zubereitete, ein Leckerbissen der Zaren, schwanden ihm fast die Sinne vor Genuss und Lust. Nach dem Dessert - ein Pudding Katharinas der Großen (Heidelbeeren, Vanilleeis, Himbeersorbet und Kognak in Eigelbsahne) - und nachdem sie, völlig berauscht vom
Kognak und dem überwältigenden Essen, den allerwildesten und hemmungslosesten Sex getrieben hatten, machte Vladimir Berkovich Betty zwei Vorschläge: Nummer eins, ihn zu heiraten, Nummer zwei, die Küchenchefin des Restaurants zu werden, das er in Brighton Beach eröffnen würde und das Zatoka heißen sollte.
    Betty antwortete zweimal mit Ja, unter einer Bedingung - dass sie wieder in Brighton Beach wohnen würden. Manhattan sei nichts für sie. Zu viele Amerikaner. Wie üblich bei Vladimir Berkovich wurde alles umgehend erledigt. Innerhalb von sechs Monaten waren alle drei Dinge abgehakt: Hochzeit, Restaurant, Haus.
     
    Rückblickend gesehen, begannen die Probleme mit dem Kokain. Silber war derjenige, der entdeckte, dass diese Droge eine hohe Popularität besaß. Er war es auch, der nach Kolumbien reiste und die Kontakte knüpfte, und zusammen mit Vladimir, der Warschau und die polnische Fluggesellschaft aus seiner Catering-Zeit kannte, dachte er sich den Polenplan aus.
    Der Polenplan lief so: Das Kokain wurde von Bogotá mit einem Lot-Linienflug nach Polen geschickt, in Röhren, die eine kolumbianische Firma für einen polnischen

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