Alles paletti
Indianername? So wie Weißer Bär oder Rote Wolke?«, fragt Izzi,
Jane wird ernst. »Woher kennst du Rote Wolke?«
»Das ist mir bloß so eingefallen, gibt es so jemanden? Nu, also wie heißt du?«
»Ich bin nicht sicher, dass ich das sagen möchte …«
Sie bestehen darauf, alle drei.
»Na gut. In der Indianersprache ist der Name Gokokou Gonineg. Das heißt Schneeeule.«
Izzi sagt leise: »Schneeeule, wow. Wie schön.«
Jonsy lehnt sich nach hinten, stützt sich auf die Ellbogen. Er spürt seinen Rücken und hofft, dass das nichts Schlimmes zu bedeuten hat. »Und was macht ihr dort im Reservat? Sitzt ihr in Zelten rum?« Er lacht über seinen eigenen Witz. »Bloß so. Ich kenne Reservate. Aber was arbeitet ihr?«
»Pfeile und Bogen«, erwidert Jake. »Den ganzen Tag muss man sie polieren und säubern, um sich auf den nächsten Kampf vorzubereiten. Nein, Quatsch, bloß so, Jane macht ihre Magisterarbeit über das Liebesleben von Crazy Horse, einem indianischen Krieger aus dem neunzehnten Jahrhundert. Offenbar träumt sie von irgend so einem Krieger, der auf einem weißen Pferd daherkommt.«
Jane schießt einen wütenden Blick auf ihn ab.
»Und ich«, fährt er fort, »ich beschäftige mich mit dem Reis.«
»Reis?«, fragt Jonsy ungläubig.
Jane verengt die Augen, starrt Jake an.
»Ja«, bestätigt Jake. »Im Reservat leben wir viel von Reis. Die Wabigooni haben von Naturreis gelebt, lange bevor der weiße Mann seinen Fuß hier auf die Erde gesetzt hat. Reisanbau im Reservat ist ein hartes Geschäft. Der wilde Reis ist in flachen Seen und Flüssen gewachsen. Die Reiskörner sind Ende August, Anfang September reif, wenn die Pflanzen eine hellgrüne Farbe kriegen.«
Jane denkt sich, da fängt er schon wieder mit seiner Leier an. Jake hat ein paar Monate im Indianermuseum des Reservats gearbeitet, bis ihn die Lust verließ. Dort hat er das alles gelernt. Sie ärgert sich schon wieder.
»Zwei brechen mit dem Kanu auf, das aus Aluminium gemacht ist. Der mit der Stange sitzt vorn und bewegt das Kanu, und der zweite schlägt den Reis von den Halmen. Mit Hilfe eines Schlegels aus Zedernholz schlägt er ihn ins Kanu hinein.«
Izzi betrachtet ihn verblüfft. Jonsy denkt, der Knabe quatscht doch mit Verstand. Jane denkt sich, was für ein Vollidiot.
»Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört.« Jake ist noch nicht fertig. »Der mit der Stange muss den guten Reis ansteuern, und der mit dem Schlegel muss schnell handeln. Nach der Ernte bringen die Wabis den Reis nach Hause und lassen ihn ein paar Stunden ausgebreitet trocknen.«
»Wabis?«
»Unsere Stammesangehörigen. Der volle Name lautet Wabigooni von der Gruppe Sugar-Bush-Lac vom Superior Chipewyan Lake, Minnesota. Wabis ist bloß die Abkürzung. Der Reis trocknet dann im großen Kessel überm Lagerfeuer, ganz langsam. Während des Trocknungsprozesses verändert sich die Farbe allmählich zu Braun, und der Geruch verbreitet sich im ganzen Reservat. Das Nächste ist die Lagerung. Meine Großmutter Suzan, die auch Schwarze Feder hieß, füllte den
Reis immer in Kissenbezüge, die sie in einen Schrank steckte. Und dann wartet man. Lange Zeit. Man hat es nicht eilig. Wir arbeiten nach der indianischen Uhr: Die Dinge geschehen, wenn sie geschehen müssen.« Jake hält inne. Er denkt sich, wie einfach es doch ist, Leuten, die nicht wissen, was ein Indianerstamm ist, Geschichten weiszumachen. Was für Komiker, die beiden.
Izzi schweigt beeindruckt. Jonsy will Jake fragen, in welchem Buch er das gelesen hat. Doch Jane reicht es.
»Übrigens«, sagt sie, »hat er euch gerade was vorgelogen. Er hat in seinem Leben praktisch noch keinen Reis angerührt. Er ist überhaupt kein Indianer. Er ist Jude, wie ihr. Er heißt Jakob, und er ist ein kleiner Scheißer, der drei Jahre auf meine Kosten gelebt hat, von den Glücksspielgeldern, die ich jeden Monat vom Reservat erhalte. Aber damit wird ab heute Schluss sein. Er wird seine Sachen packen und für immer aus meinem Haus verschwinden.« Sie schickt ein kurzes, angespanntes Lachen hinterher.
Jonsy und Izzi schauen sich geschockt an. Sie richten ihren Blick auf Jake, der auf der Decke sitzt und seine Füße betrachtet. Er grinst: »Mädels, was die immer haben, oder?«
Jonsy sagt: »Augenblick mal …«
»Er hat ein paar Monate im Museum des Reservats gearbeitet, bis auch das zu hart für ihn wurde. Den kleinen Vortrag hat er garantiert den Leuten dort den ganzen Tag vorgebetet. Stimmt’s, Jakob?«
Jake antwortet
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