Alles Sense
Hilfe?«
»Nein. Ich glaube, ich komme allein zurecht.«
»Ich habe eine Schaufel im Schuppen, falls du eine brauchst…«
»Nein, es ist alles in bester Ordnung.« Windle kletterte aus dem Loch und strich Lehmbrocken von den Resten seines Umhangs. »Das mit dem Rasen tut mir leid«, sagte er und blickte auf die Tunnelöffnung im Boden.
»Schon gut, Herr Poons.«
»Hat es lange gedauert, bis er so aussah?«
»Etwa fünfhundert Jahre.«
»Donnerwetter! Dann tut’s mir noch mehr leid. Ich wollte zum Keller, doch irgendwann habe ich die Orientierung verloren.«
»Mach dir deshalb keine Sorgen, Herr Poons«, sagte der Zwerg fröhlich. »Es wächst ohnehin alles wie verrückt. Heute nachmittag fülle ich das Loch und säe. Die nächsten fünfhundert Jahre vergehen bestimmt wie im Flug, du wirst sehen.«
»Wenn’s so weitergeht wie bisher, werde ich es tatsächlich noch sehen«, entgegnete Windle kummervoll. Er blickte sich um. »Ist der Erzkanzler da?«
»Er und die anderen sind zum Palast gegangen«, antwortete Modo.
»Nun, ich möchte niemanden stören. Am besten, ich wasche mich jetzt und ziehe saubere Sachen an.«
»Wie ich hörte, bist du tot und auch begraben gewesen«, sagte der Gärtner, als Windle davonschlurfte.
»Ja, das stimmt.«
»Offenbar zieht’s dich immer wieder ins Diesseits, wie?«
Windle drehte sich um.
»Übrigens… Wo befindet sich die Ulmenstraße?«
Modo kratzte sich am Ohr. »Zweigt sie nicht von der Sirupzechenallee ab?«
»Oh, ja, jetzt erinnere ich mich.«
Der Gärtner setzte das Unkrautjäten fort.
Die seltsamen und vor allem wenig dauerhaften Umstände von Windle Poons Tod beunruhigten ihn keineswegs. Auch die Bäume schienen im Winter tot zu sein, doch im Frühling wuchsen ihnen wieder Blätter. Ausgetrocknete alte Samenkörner verschwanden im Boden, und meistens dauerte es nicht lange, bis ganz neue Pflanzen aus ihnen hervorgingen. Praktisch nichts blieb lange tot. Man nehme Kompost als Beispiel.
Modo glaubte mit der gleichen inneren Hingabe an Kompost wie andere Leute an Götter. Seine Komposthaufen erbebten manchmal, gärten und glühten in der Dunkelheit, was vermutlich an den geheimnisvollen und vielleicht auch verbotenen Zutaten lag, die Modo ihnen hinzufügte. Obwohl in diesem Zusammenhang betont werden muß, daß ihm nie etwas nachgewiesen wurde. Außerdem brauchte er kaum zu befürchten, in dieser Hinsicht überführt zu werden: Niemand würde es wagen, einen seiner Komposthaufen zu öffnen, um darin nachzusehen.
Alles tote Materialien – und doch irgendwie lebendig. Und das Zeug ließ Rosen wachsen. Der Oberste Hirte hatte einmal darauf hingewiesen, Modos Rosen verdankten ihr prächtiges Wachstum einem Wunder der Natur, aber insgeheim vertrat der Gärtner eine andere Ansicht. Er nahm an, daß seine Rosen deshalb so gut wuchsen, weil sie dem Kompost zu entfliehen versuchten.
Heute abend bekamen die Haufen Nachschub aus neuem Unkraut. Es war wirklich bemerkenswert: Nie zuvor hatte Modo beobachtet, daß Pflanzen so schnell und mit solcher Pracht gediehen. Sicher liegt’s am Kompost, dachte er.
Als die Zauberer den Palast erreichten, ging es dort drunter und drüber. Einzelne Möbelstücke glitten unter den Zimmerdecken hin und her. Ein Schwarm aus Messern und Gabeln schwebte mitten in der Luft wie Elritzen im Wasser, sauste plötzlich am Erzkanzler vorbei und verschwand im Flur. Ein selektiver Orkan schien hier zu wüten und zu versuchen, seine eigenen Vorstellungen von Ordnung durchzusetzen.
Es waren bereits andere Leute eingetroffen, unter ihnen eine Gruppe aus Personen, die ähnliche Kleidung trugen wie die Zauberer. Der aufmerksame Beobachter bemerkte allerdings bestimmte Unterschiede.
»Priester?« brachte der Dekan hervor. »Und sie kamen vor uns hierher?«
In den beiden Gruppen wurden subtile Veränderungen erkennbar: Instinktiv nahmen Zauberer und Priester eine Haltung ein, die auf offensive Verteidigungsbereitschaft hindeutete.
»Was wollen sie hier?« fragte der Oberste Hirte.
Die Temperatur sank um mehrere Grad – metaphorisch gesehen.
Ein Teppich segelte vorbei.
Der Erzkanzler begegnete dem Blick des gewichtigen Hohepriesters des Blinden Io. Als oberster Priester des obersten Gottes im ziemlich großen Pantheon der Scheibenwelt war er in Ankh-Morpork fast so etwas wie ein offizieller religiöser Sprecher.
»Gläubige Narren«, brummte der Oberste Hirte.
»Gottlose Pfuscher«, sagte ein kleiner Akolyth und spähte hinter der
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