Alles Sense
jemandem, dessen körper noch warm ist! so, das reicht jetzt, du…
Die Stimme verklang.
Frau Kuchen schob das Kinn vor.
Die Stimme kehrte zurück.
tatsächlich? tatsächlich? nun, vielleicht warst du ein hohes tier, als noch leben in dir steckte, aber jetzt bist du nur noch ein laken mit löchern drin! ach, das gefällt dir also nicht, freundchen…
»Es steht ein Kampf bevor, Mama«, sagte Ludmilla, die sich am Ofen in der Küche zusammengerollt hatte. »Er nennt die Leute immer ›Freundchen‹, bevor er ausholt und jemanden schlägt.«
Frau Kuchen seufzte.
»Außerdem deutet einiges darauf hin, daß er diesmal gegen viele Leute kämpfen wird«, fügte Ludmilla hinzu.
»Na schön. Hol mir eine Vase. Eine billige, wenn’s geht.«
Den meisten Leuten fehlt zwar die Gewißheit, aber sie ahnen zumindest, daß alles eine Art Geistkörper hat, der nach dem individuellen Tod für kurze Zeit in der zugigen Lücke zwischen Diesseits und Jenseits verweilt. Diesem Punkt kommt große Bedeutung zu.
»Nein, die nicht. Sie gehörte deiner Oma.«
Ohne ein stabilisierendes Bewußtsein bleibt der ätherische Korpus nicht lange von Bestand, aber vielleicht lange genug – es kommt ganz auf Zweck und Absicht an.
»Ja, mit der ist alles in Ordnung. Habe das Muster nie gemocht.«
Frau Kuchen nahm eine orangefarbene Vase mit rosaroten Päonien aus den Pfoten ihrer Tochter.
»Bist du noch da, Ein-Mann-Kübel?« fragte sie.
… ich werde dafür sorgen, daß du den tag bedauerst, an dem du gestorben bist, du mieser…
»Fang.«
Evadne Kuchen warf die Vase zum Herd, und dort zerbrach sie.
Eine Sekunde später erklang ein Geräusch von der anderen Seite. Es hörte sich an wie… wie ein körperloser Geist, der einem anderen körperlosen Geist eine substanzlose Vase auf den Kopf schlug.
na bitte, brummte Ein-Mann-Kübel. und ich kann jederzeit nachschub bekommen, stimmt’s?
Die Kuchens – Mutter und ihre haarige Tochter – nickten.
In Ein-Mann-Kübels Stimme vibrierte Selbstgefälligkeit, als er fortfuhr:
nur eine kleine auseinandersetzung, um zu bestimmen, wer hier das sagen hat, meinte er. um gewisse grenzen abzustecken. hier gibt’s einige probleme, Frau Kuchen. dieser ort ähnelt immer mehr einem wartezimmer…
Andere Stimmen kreischten und heulten.
… habe ich eine mitteilung, und zwar für Herrn…
… liegt ein beutel mit münzen auf dem inneren kaminsims…
… nach dem, was Agnes über unsere Molly gesagt hat, soll sie nicht das tafelsilber bekommen…
… mir blieb keine zeit, um die katze zu füttern, könnte vielleicht jemand…
seidendlichstill! rief Ein-Mann-Kübel. ihr habt überhaupt keine ahnung, oder? reden so vielleicht geister? die katze füttern? hat niemand lust, »ich bin hier sehr glücklich und warte drauf, daß ihr zu mir kommt« zu sagen?
… hör mal, wenn noch mehr leute kommen, stehen wir uns hier bald gegenseitig auf den füßen…
darum geht’s nicht. worum’s hier geht, ist folgendes: als geist muß man bestimmten erwartungen gerecht werden. Frau Kuchen?
»Ja?«
du solltest jemanden auf die hiesigen zustände hinweisen.
Evadne Kuchen nickte.
»Laßt mich jetzt allein«, sagte sie. »Ich glaube, ich bekomme meine Migräne.«
Das Glühen in der Kristallkugel erlosch.
»Nun?« fragte Ludmilla.
»Ich wende mich nicht an die Priester«, verkündete Frau Kuchen entschlossen.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Frau Kuchen war durchaus religiös. Sie kann sogar als sehr religiöse Frau bezeichnet werden. In der ganzen Stadt gab es keinen Tempel, keine Kirche, keine Moschee und keine sakrale Monolithengruppe, die sie nicht irgendwann einmal besucht hatte. Aus diesem Grund fürchtete man sie mehr als ein Zeitalter der Aufklärung. Allein der Anblick der kleinen, dicken Frau Kuchen genügte, um den meisten Priestern einen gehörigen Schrecken einzujagen.
Nun, in allen Religionen gab es strenge Prinzipien in Hinsicht auf Gespräche mit den Toten: So etwas galt als Sünde. Frau Kuchen hingegen hielt derartige Konversationen für ein Gebot der Höflichkeit.
Dieser Umstand führte oft zu einer heftigen ekklesiastischen Debatte, die Frau Kuchen nutzte, um dem betreffenden Priester »den Kopf zu waschen«, wie sie sich ausdrückte. Inzwischen hatte sie schon vielen Leuten »den Kopf gewaschen«, und es grenzte an ein Wunder, daß die Friseursalons in Ankh-Morpork nicht längst Pleite gemacht hatten.
Was Ludmilla anging… Nun, Ludmilla war ein Problem. Der verstorbene
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