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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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gestern noch in kochendes Wasser gestellt, ein paarmal gewendet, anschließend auf zwei Kanthölzer gelegt und in der Mitte beschwert. Sie wiesen nun eine leichte Biegung auf, wenn auch, wie sich herausstellte, nicht genug. Den Rest mussten wohl oder übel die Messingschrauben ziehen, die Roman besorgt hatte. Mit nichts als Muskelkraft und Schraubendreher eine anstrengende, blutblasenfördernde Angelegenheit, aber irgendwie genau das, was ich im Augenblick brauchte. Seite an Seite arbeiteten wir konzentriert vor uns hin. Sägten, schraubten Brett auf Brett, spachtelten Bitumenpaste dazwischen.
    »Roman«, fragte ich schließlich, was mir keine Ruhe ließ, »der Tote von vorgestern. War der wirklich schon tot, als du ihn gefunden hast?«
    »Was soll das heißen?«, fragte er zurück, der Tonfall deutlich angepisst.
    »Du hast ihn nicht erst mit dem Boot überfahren? Um sicherzugehen?«
    Näher war ich noch nie daran gekommen, ein Auge einzubüßen. Romans Spachtel zitterte nur Millimeter vor meiner rechten Pupille.
    »Ich bin Zigeuner«, zischte er, »somit ein Heuchler, Dieb, Lügner und Betrüger von Geburt an. Und du glaubst also, ich bringe obendrein Leute um, Unschuldige, für«, er riss die Formularfetzen aus der Hosentasche und schmiss sie mir vor die Füße, »für lumpige fünfzig Euro?«
    »Wieso war er dann so zugerichtet?«
    Achselzucken. Der Spachtel widmete sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe, wenn auch nach wie vor leicht zitternd.
    »Wohattest du die Leiche her?«
    »Kristof, du fährst, wenn, bald zurück nach Hause. Aber wir, wir bleiben hier und müssen irgendwie zurechtkommen. Da will man nicht alles wissen, und das, was man weiß, behält man am besten für sich. Wenn du in dieser Gegend den Dingen auf den Grund gehst, rührst du einen Bodensatz auf, der dir den Atem nimmt. Nicht selten für immer.«
    »Duhast Angst, der Leichenfund ist der wahre Grund für den Anschlag auf dein Boot.«
    »Kristof, du bist hier an einem Ort und in einer Zeit gelandet, in der man sehr, sehr gut beraten ist, Angst zu haben.«
    Und mehr war nicht aus ihm herauszuholen.
    Gegen Nachmittag - Roman war noch dabei, den geflickten Rumpf hastig mit der Rolle zu lackieren - kam der alte Autokran wieder angerumpelt.
    Ich sprang an Bord der Luna Negra, als sie in ihr Element hinab gelassen wurde, ging nach vorn, in die Kabine, darauf gefasst, jeden Augenblick bis zu den Knöcheln, den Hüften, dem Hals im Wasser zu stehen. Doch die reparierte Stelle hielt dicht. Na, einigermaßen. Hier und da quetschten sich ein paar Tröpfchen durch, die Roman allerdings für vollkommen vernachlässigbar erachtete.
    Erleichtert wollte ich rasch wieder an Land. Pustekuchen.
    Roman startete seinen Diesel, und wir stachen unverzüglich in See. Bis zum Kai der Paradise Lodge blieb ich wie angewurzelt in der Kabine, konnte meine Augen nicht von der geflickten Stelle lösen. Als Einschaler blickt man auch immer etwas angespannt auf seine Arbeit zurück, sobald der Beton reingepumpt wird, doch dies war kein Vergleich.
    »Pass auf dich auf«, sagte Roman noch zu mir, ich schon auf der Sprossenleiter, glücklich an Land, dann drehte er das Ruder herum und tuckerte davon.
    >Dufährst, wenn, bald zurück nach Hause<, hatte er gesagt. Wenn, hatte er gesagt.
    »Kristof!« Roxanne kam auf mich zugerannt, schlang ihre Arme um mich, drückte mich eng an sich, sprach in die Kuhle meines Halses. »Dieses arme Kind. Die arme Mutter. Warum hast du mich nicht geweckt?« Sie sah mich an, ihr Blick bekümmert. »Du stehst noch unter Schock, was? Ah, Mann, diese verdammte Hektik, gestern. Ich hab am Steuer gesessen, hab die Bordlichter der Küstenwache näher kommen sehen und nur so halb und halb mitgekriegt, dass beim Umsteigen irgendetwas komplett schiefging. Ich dachte an ein Gepäckstück. Wenn ein Mensch über Bord gegangen wäre, das hätten wir doch bemerkt!«
    »Wir müssen die Mutter benachrichtigen«, sagte ich.
    »Ja.« Sie nickte. »Du hast recht. Ich häng mich ans Telefon. Was machst du inzwischen?«
    »Ich gehe jetzt und spreche mit Alice. Unter vier Augen. Und niemand wird mich daran hindern.«
    »üh. Ja, klar. Wenn du meinst. Sie müsste oben sein, in der Käserei.«
    »Tja«, sagte Leroy. »Was soll ich sagen? Sie ist uns entwischt.«
    Er hatte mir widerstrebend die Tür zu einer kleinen, kahlen Kammer aufgeschlossen, von Grundriss und Möblierung her einer Zelle nicht unähnlich. Das Fenster war unvergittert, man hatte nur den Drehknauf

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