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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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das gleichgültige Interesse eines Marabus erinnerte, beobachtete die Sekretärin, was Alfred weiter zu tun gedachte. Als er fragte, ob der Attaché zu sprechen sei, verneinte sie, er werde aber bestimmt bald kommen. Dann steckte sie ihre dünkelhafte Nase in eine Handtasche aus klirrenden Goldschuppen, holte Zigarette und Feuerzeug heraus und verließ den Raum.
    Nach Alfreds Meinung war der Attaché der oberste Spitzbube am Institut. Eitel, kleinmütig und gierig, verkörperte er am perfektesten die phantasielose Art eines verkorksten Diplomaten, der trotz aller Trottelei klug genug ist, etwaigen Landsleuten, auf die er im Ausland trifft, Prügel in den Weg zu werfen.
    In einem makellosen Anzug von hellbeigem Leinen mit scharfgebügelten Hosen kam er herein. Sein großer runder Kopf war vom Tennisspielen rot, er sagte, Alfred habeGlück, ihn anzutreffen, er schaue nur kurz herein, weil er etwas vergessen habe, er sei gerade sehr beschäftigt.
    Mit geziemender Höflichkeit erkundigte sich Alfred nach seiner Museumsbewilligung. Dem Attaché sprang die Stirn in Falten, er mutmaßte, ihm seien keine Fortschritte bekannt. Er bat Alfred in sein Zimmer, dort schaute er betrübt auf einige Papiere am Tisch, als hätten sie mit Alfreds Ansuchen zu tun. Dort lagen aber nur Prospekte von Badeorten am Roten Meer und Restaurantrechnungen, für die noch kein Platz bei den Spesen gefunden war.
    »Im Moment geht nichts vorwärts«, sagte der Attaché und beobachtete Alfreds Reaktion.
    Der Attaché wusste nicht, was er mit diesem burkas-hökernden Hypochonder anfangen sollte, er war sich nicht einmal sicher, ob Alfreds vernachlässigtes Erscheinungsbild ideologische Spinnerei oder Charakterschwäche zum Ausdruck brachte. Für beides hatte der Attaché nichts übrig, gleichzeitig wollte er nicht das eine für das andere nehmen. Er betrachtete Alfred bitter und dachte: Schade, dass Charakterschwäche nicht mehr auf Anhieb festzustellen ist, ein weiterer Verlust, der aufs Konto dieser Phantasten geht, die aus weltanschaulichen Gründen vergammeln. Der Attaché verzog missmutig den Mund, die Gegenwart und ihre Tendenzen waren ihm nicht geheuer, plötzlich kochte Groll in ihm hoch, weil er Angst hatte, dass seine Ansichten von einer Jugend überrollt wurden, die Freiheit mit schlechtem Geschmack verwechselte.
    »Sie müssen sich gedulden«, schob er hinterher. »Ich habe ihnen schon gesagt, dass in diesem Land von heute auf morgen nichts weitergeht, nur der Kalender.«
    Unter seiner Höflichkeit schwang Gereiztheit mit.
    Da Alfred nur trübe dreinblickte, ohne sich abwimmeln zu lassen, glaubte der Attaché, sich rechtfertigen zu müssen. Er erklärte die Amtswege zwischen Kulturinstitut und der ägyptischen Museumsverwaltung und endete mit der Behauptung, dass die Ansprechpartner vor Ort nicht kooperieren würden.
    »Es ist also nichts zu machen?« fragte Alfred.
    Der Attaché machte ein bedauerndes Gesicht.
    »Sie müssen den guten Willen für die Tat nehmen.«
    Alfred schüttelte langsam den Kopf, als sei er kurz davor zu resignieren, dann ging er zum Angriff über.
    Auf seine Frage, wie der zuständige Beamte in der Altertümerverwaltung heiße, wusste der Attaché keine Antwort. Er stotterte, da gebe es mindestens zehn, lauter Nichten und Neffen von irgendwem. Alfred kündigte an, er werde der Behörde einen Besuch abstatten, gleich am Montag, und sich persönlich nach der Position erkundigen, die man zu seinem Ansuchen einnehme. Der Attaché winkte ab und versprach, selbst anzurufen; das war der nächste Bosheitsakt.
    Jetzt folgte das, was Sally Alfred geraten hatte, er zog ein zweites schriftliches Ansuchen heraus und sagte, der Attaché müsse verstehen, er, Alfred, habe dem Wiener Museum gegenüber Verpflichtungen, er könne die Sache nicht einfach einschlafen lassen. Wenn die Bewilligung nicht zu erwirken sei, brauche er etwas Aktenkundiges, mit dem er Wien gegenüber den Nachweis führen könne, dass alles versucht worden sei. Vielleicht werde dann von Wien aus interveniert.
    Diese Drohung machte den Attaché so wütend, dass er, obwohl gerade die Direktorin eingetreten war, behauptete, er habe nicht gewusst, dass Alfred im Auftrag des Museums für Völkerkunde forsche, er habe gemeint, mit Museum , für das Alfred arbeite, sei das Ägyptische gemeint.
    »Welches Ägyptische?« fragte Alfred naiv.
    Der Attaché knirschte mit den Zähnen. Alfred übersah geflissentlich, dass der niedere Gesandte kein Feuerzeug greifbar hatte, um

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