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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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allein hätte schon ausgereicht, die
     Kunstwelt in Erregung zu versetzen, der Umstand jedoch, dass Rem Koolhaas dafür verantwortlich zeichnet, tat ein Übriges.
     Schließlich ist Koolhaas der |62| linke Theoretiker unter den globalen Stararchitekten, derjenige, der die Überformung aller Lebenswelten und die Kannibalisierung
     der Städte durch Kommerz immer wieder einer scharfen Kritik unterzieht. Und gerade der sorgt für einen neuen Qualitätssprung
     in der Kapitalisierung der Kultur und der Kulturalisierung des Kapitals! Dabei ist es natürlich nur folgerichtig, nimmt man
     die These von der Verwandlung materieller Güter in Kulturwaren ernst, dass der Künstler – und allen voran der Architekt, der
     dem globalen Unternehmen das Wahrzeichen baut –, gleich auch die Markenidentität mitliefert, nicht nur die Fassaden und Trennwände
     baut, sondern auch die »Brand Vision« zusammenschraubt. So wie die Marke zur Markenkunst wird, so wird der Markendesigner
     selbst zur Marke. Koolhaas verwandelt Prada, und Prada verwandelt zugleich OMA und AMO zu internationalen Marken in der globalisierten
     Luxuswelt. Die Marke wird zum Kunstwerk, weil der Künstler, der selbst eine Marke ist, für sie arbeitet, wodurch er seine
     Markenidentität wiederum untermauert: Eine schönes Exempel dafür, wie selbstreferentiell die Sphäre der kulturkapitalistischen
     (Zeichen-)Produktion längst geworden ist.
    Was auf den kulturellen Märkten zählt, ist Beachtung. »Wer bekannt für seinen Bekanntheitsgrad ist, ist bekannt für sein Einkommen
     an Beachtung« 63 , schreibt der Wiener Architekturtheoretiker Georg Franck in seinem Buch »Mentaler Kapitalismus«, mit dem er seine viel beachteten
     Studien über die »Ökonomie der Aufmerksamkeit« fortsetzte. Ansehen, Reputation, Prominenz, Ruhm, »diese immateriellen Schätze
     können, wie materieller Reichtum, von sich aus zur Einkommensquelle werden«. Der Stararchitekt und die Marke gehen ein symbiotisches
     Verhältnis ein, zum wechselseitigen Vorteil. Franck: »Der Modekonzern partizipiert am Prestige der Architektur als |63| genuiner Kunst, die Architektur partizipiert an der Präsenz der Marke Prada jenseits der Kunst«. 64 Deshalb habe die Postmoderne eine neue Klasse architektonischer Prominenz hervorgebracht, die »Klasse der Stararchitekten« 65 . Deren Arbeit lassen sich die globalen Brands viel kosten, aber das Geld ist gut investiert, denn die »gebaute Auffälligkeit
     ist teuer – ob mit oder ohne Star. Die Funktion des Stararchitekten ist es, die Investition abzusichern. Er bürgt mit dem
     Kapital, das aus der Reputation wird, wenn sie als solche gewinnträchtig wird. Ohne die Verbindung mit einem Star der Architektur
     hat das Bauwerk es schwer, sich als Medium durchzusetzen. Ganz auf sich gestellt, hat es kaum eine Chance, diejenige Zeichenhaftigkeit
     anzunehmen, von der die Investoren träumen.« 66 Keiner, so Francks Resümee, habe diese Zusammenhänge so gut kapiert wie Koolhaas, weshalb er »der führende Architekt des
     mentalen Kapitalismus« 67 geworden sei.
    Dass all dies Auswirkungen auf das Antlitz der Städte hat, ist leicht nachzuvollziehen – wenngleich natürlich die Bauten globaler
     Architekturcelebrities für globale Power-Marken nur ein Spezialthema sind: ein sichtbares freilich, schließlich versehen sie
     die Innenstädte mit viel beachteten Wahrzeichen, die es zu großen Geschichten auf den Kulturseiten aller Zeitungen bringen,
     wann immer ein Auftrag vergeben wird – und dann natürlich noch einmal, sobald er fertiggestellt ist.
    Aber wenn Brecht sagte, dass man nur die im Licht sehe, die im Dunkeln aber nicht, so gilt das in seltsamer Weise auch für
     die Überformung unserer Lebenswelten mit Kommerzarchitektur. Koolhaas baut für die kulturkapitalistische A-Klasse, was er
     hochzieht, steht im Rampenlicht. Er poliert die kulturkapitalistischen Juwelen zu Recht auf, aber viel häufiger als diese
     ist natürlich der kommerzielle Billigschmuck. Nur werden über den weniger Worte verloren |64| – schließlich bringt er es nicht bis in die Feuilletons. So wie Shopping seltsam untheoretisiert ist, so gilt das auch für
     die paradigmatischen Orte des Konsumkapitalismus, die von New Jersey bis Schanghai ziemlich gleich aussehen: die Shopping
     Malls. Sie stehen überall rum und keiner redet über sie. Sie sind das Selbstverständliche. Dabei ist die Mall, Nachfahre der
     Passagen und Arkaden des neunzehnten und der Warenhäuser des

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