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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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dauerte es natürlich nicht lange, bis ihn auch die Mainstream-Yuppies entdeckten. Das Stammpublikum freute das erwartungsgemäß
     gar nicht. Gelegentlich stellten sich ein paar Punks vor der Tür auf, um die Yuppies zu bespucken. Aber das machte den Laden
     natürlich besonders interessant: Echte Punks, die sich noch so aufführen wie Punks in den legendären achtziger Jahren! Mittlerweile
     ist der Widerstand zusammengebrochen.
    |93|
    Der Verwertungslogik entzogen? Oder doch nur eine Marktnische?
    Alternativer Kunsthof in Berlin-Mitte
    |94| Wer heute im »Fluc« nach Streichhölzern fragt, bekommt eine Schachtel, auf der über dem »Fluc«-Schriftzug das Logo der Zigarettenfirma
     »Benson & Hedges« prangt. Und auf der Rückseite des Containerbaus, in dem das »Fluc« residiert, kann man lesen,
     dass der schräge Laden unter anderem von der »Bank-Austria« gesponsert wird, dem führenden Kreditinstitut des Landes. Warum
     auch nicht? Die Miete will bezahlt, die Künstlerhonorare müssen überwiesen werden. All das sind eher Symptome einer Problemlage,
     aus der der einzelne Clubbetreiber oder der einzelne Künstler kaum entfliehen können.
    Die Kunst wird zum wichtigsten Vehikel für das, was man heute die Rivalität von Wirtschaftsstandorten nennt. Schon ist in
     aller Welt voller Bewunderung – und mit einer Prise Neid – vom »Bilbao-Effekt« die Rede. Damit wird auf den bemerkenswerten
     Aufstieg der einstmals ziemlich bedeutungslosen baskischen Provinzstadt zu einem der neuesten Fixsterne des globalen Kulturtourismus
     angespielt – und zwar, weil die Stadt zu einer Metropole postmoderner Architektur umgeformt wurde. Neues Wahrzeichen der Hafenstadt
     ist das spektakuläre Guggenheim-Museum, entworfen vom Stararchitekten Frank O. Gehry, aber auch eine Fahrt mit der Metro ist
     ein Erlebnis: Die Bahnhöfe baute schließlich der britische Architektenfürst Sir Norman Foster. Das brachte der Stadt nicht
     nur einen fixen Platz auf der Route des kunstinteressierten Jetsets, sondern die Aura als Mekka der Postmoderne ein – und
     damit unwiderstehliche Anziehungskraft auf Investoren. Die Marke Guggenheim und die Marke Gehry machten aus Bilbao selbst
     eine begehrte Marke. Man kann das als eine Art »Re- Branding « einer Stadt beschreiben, welches einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dem leistete, was man wiederum ohne viel Ironie das
     »Re-Branding« der »Marke Spanien« nennen kann – denn auch Nationen, darauf wird noch |95| zurückzukommen sein, funktionieren heute nicht viel anders als Marken. Ihr Wohl und Wehe ist davon bestimmt, dass sie ein
     Image haben, das sie entweder begehrenswert oder, im Gegenteil, uninteressant (wenn nicht gar abstoßend) erscheinen lässt.
     Heute strömen jedenfalls kaufwütige Kulturhabitués nach Bilbao, wohingegen vor 1997, also bevor das Guggenheim-Museum eröffnete,
     »die einzigen Leute, die die Stadt besucht haben, Seemänner waren«. 97
    Doch auch für diesen Bedeutungszuwachs zahlen die Künste ihren Preis. Denn wenn spektakuläre Kunstschauen, global gehypte
     Festivals und massenwirksame Aufführungen für den wirtschaftlichen Erfolg einer Stadt an Relevanz gewinnen und diese Stadt
     sich wiederum als Wirtschaftsstandort sieht, der mit anderen Wirtschaftsstandorten (die ihrerseits Kulturstandorte sind) in
     harter Konkurrenz steht, dann wird natürlich das favorisiert, was den größten Effekt verspricht, das, was buchstäblich »funktional«
     in diesem neuen Sinn von Funktionalismus ist: die aufsehenerregenden Blockbuster, die Inszenierungen der »Big Names«, die
     Celebrities, die Schlagzeilen garantieren, die Produktionen der wilden Genies, deren Rebellentum man zwar nicht so genau versteht,
     mit denen man sich aber gerne schmückt. Wer diesen Markt bedient, hat die besseren Karten, wird von den Kulturverantwortlichen
     mit Subventionsmillionen überhäuft, ja, für den werden ganze Museumsstädte neu aufgebaut, wie etwa das Wiener Museumsquartier
     MQ – wer auf das Experimentelle setzt, auf die Nische gar, wer Räume offenhalten will, wo Neues erprobt werden kann, der muss
     eigentlich eine Schraube locker haben und an dem werden die Geldflüsse deshalb auch meist vorbeigeleitet. Gewiss, für ausgesuchte
     »vielversprechende« Teams und Produktionen gibt es Förderungen in homöopathischen Dosen, was dann meist als |96| eine Art »Investment in die Zukunft« legitimiert wird: Schließlich ist die Subkultur-Größe von heute womöglich die

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