Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
Mainstream-Ökonomie unterscheidet, ihr aber auch signifikant ähnelt. So brachten findige Jungunternehmer
im Adbuster-Umfeld den Blackspot-Sneaker und den Blackspot-Unswoosher auf den Markt, zwei Schuhmodelle, von denen das eine
ästhetisch den Converse-Sportschuhen, das andere den klassischen Clarks ähnelt. Die Schuhsohle ist aus wiederverwerteten Autoreifen,
der Schuh selbst aus robustem Jeansmaterial zusammengenäht. Dort, wo bei Kommerzschuhen das Firmenlogo prangt, ist ein »Anti-Logo«
angeklebt, das aber auch nicht anders funktioniert als ein Logo |148| – es identifiziert den Träger des Schuhs als kommerzkritischen Geist, als Teil einer Community. Kein Wunder, dass der Recycling-Schuh
zu einem regelrechten Renner wurde. Produziert ist das Ding in sauberen Fabriken mit ordentlichen Arbeitsbedingungen, von
einer garantiert gewerkschaftlich organisierten Belegschaft ( www.blackspotsneaker.org ).
Es ist ein deutlicher Beweis für die Kraft des Konsumismus, wenn »sogar die Avantgarde der Konsumkritik« anfängt, »Produkte
auf den Markt zu werfen«
( Süddeutsche Zeitung
). Doch der Fall des Sneakers ist nur eines der kurioseren Exempel, wie aus rebellischen Zirkeln heraus eine Geschäftsidee
entsteht, die dann mehr zufällig als geplant zu einem ökonomischen Erfolg wird. Viel häufiger kommt es natürlich vor, dass
Unternehmer ganz bewusst den ökologischen oder sozialen Mehrwert ihrer Produkte kalkulieren. Das wohl bekannteste Beispiel
ist die Textilfirma »American Apparel«. Sie produziert, wie Martin Baltes schreibt, »ausschließlich in Kalifornien und geht
damit den umgekehrten Weg der meisten Markenhersteller, die, nur auf die Vertriebspower ihrer Marke vertrauend, die Produktion
ins Ausland verlegt haben. American Apparel-Gründer Dov Charney zahlt anständige Löhne und produziert von der Schnittvorlage
bis zum Etikett alles in eigener Fertigung. Mittlerweile ist American Apparel der drittgrößte T-Shirt-Hersteller der USA –
unter anderem deshalb, weil die Konsumenten aufgewacht sind.« 138 Die Marke tritt auf »wie eine Nicht-Regierungsorganisation – nicht von ungefähr erinnert das Logo an das typografische Kürzel
von Amnesty International« 139 . Beschäftigt werden bei »a. a.« vor allem Immigranten aus Lateinamerika, die nicht nur das Doppelte vom Mindestlohn erhalten,
sondern die sich, wenn sie wollen, sogar von einem der fünf in der Firma arbeitenden Physiotherapeuten |150| massieren lassen können. Kurzum: Die Firma macht alles so, wie sich das der ethische Konsument ersehnt. »Wir wollen den Leuten
zu Kleidern verhelfen, die sie lieben, und dabei human sein«, heißt es schlicht im »Mission-Statement« der Firma. Das Konzept
erwies sich als so erfolgreich, dass das Unternehmen nun sogar global expandiert – alleine in Berlin gibt es unterdessen drei
Läden, in denen man die, übrigens sehr sexy anzusehende, Unterwäsche kaufen kann.
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Boommarkt Fair-Trade.
Wer Kaffee kauft, bekommt ein gutes Gewissen mitgeliefert.
|150| T-Shirts und Tops bei American Apparel sind immerhin zu erschwinglichen Preisen von 17 € oder 24 € zu haben. Oft muss der
Konsument für ethisch korrekte Produkte höhere Preise akzeptieren – das ist natürlich okay, schließlich steigen auch die Produktionskosten,
wenn den Produzenten der »Fair Trade«-Ware ordentliche Löhne oder Preise für ihre Basisprodukte gezahlt werden. Dass mit der
zunehmenden Marktmacht der »Fair Trade«-Branche auch die Großhändler in der ersten Welt ganz ordentlich verdienen, ist ein
Nebeneffekt, an dem man nicht herummäkeln sollte.
Gelegentlich freilich führt das Konzept des »ethischen Wirtschaftens« direkt in die Zonen des Luxuskonsums, wie bei der erfolgreichen
österreichischen Hausratfirma »Grüne Erde«, die Möbel, Bettwäsche und Accessoires anbietet. Im Katalog findet sich ein ausführliches
Manifest zur »Unternehmensphilosophie« (»Was macht die Grüne Erde so einzigartig?«), in dem es heißt: »Mehr als 90 % unserer
Produkte werden in Österreich und Deutschland erzeugt, der kleine Rest in anderen EU-Staaten. Den Weg vieler Unternehmen,
die Produktion in asiatische Billiglohnländer auszulagern und damit den hohen mitteleuropäischen Lohnkosten auszuweichen,
gehen wir nicht. … Unsere Kriterien, die beim Einkauf von Rohstoffen und bei der Produktion gelten, sind äußerst streng. Sie
umfassen |151| ökologische Aspekte, aber auch soziale
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