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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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ausbrechen wollen aus der Welt des globalen, homogenen kapitalistischen Glitzeruniversums. Bevor
     sich im Westen die Ansicht durchgesetzt hat, dass die Araber gefährlich sind, schlenderten die Touristen auch durch die nahöstlichen
     Souks – die fanden sie »malerisch«.
    Es ist in diesem Zusammenhang durchaus fruchtbar, das Urdokument noch einmal nachzulesen, mit dem der Begriff vom »Kampf der
     Kulturen« in die Welt kam – den |173| Aufsatz »The Clash of Civilisations«, den der amerikanische Politik-Historiker Samuel Huntington 1993 im US-Diplomatie-Fachblatt
Foreign Affairs
veröffentlichte und später zu einem Buch ausbaute. Gewiss, Huntington wurde für seine Thesen mit Recht scharf kritisiert,
     weil er die großen »Weltzivilisationen« als recht statische, hergebrachte Einheiten beschrieb, die sich kulturell seit jeher
     und für immer antagonistisch gegenüberstünden, und weil die Annahme wohl auch nicht so ganz falsch war, dass sich der konservative
     Denker von einer »Kulturalisierung« der Weltkonflikte eine Rückbesinnung auf Christentum und Kirche im Westen erhoffte; dennoch
     lässt sich nicht leugnen, dass Huntington einen wachen Instinkt für die kulturelle Logik und moderne Dynamik kommender Konflikte
     hatte.
    Durch die Globalisierung »werde die Welt kleiner«, schrieb Huntington, was aber kulturelle Differenzen nicht notwendigerweise
     einebne, sondern auch »das Bewusstsein von Differenzen« verstärke. Gleichzeitig sei der Westen »am Höhepunkt seiner Macht«,
     was, »möglicher weise als Reaktion darauf, das Phänomen einer ›Rückkehr zu den Wurzeln‹ in den nicht-westlichen Zivilisationen« zur Folge habe.
     Mit der ökonomischen Globalisierung würden die geschwächten Nationalstaaten als »Quelle der Identität« zunehmend obsolet,
     was religiöse Sinn- und Identitätssuche begünstige, und mit dem Untergang der klassischen Linken, die globale Konflikte mit
     Begriffen wie Klasse und Imperialismus beschrieb, würden ältere identitäre Muster wichtiger. Damit ziehe ein Denken »›wir‹
     gegen ›sie‹« ein, denn anders als in den alten ideologischen Konflikten, »in denen die Schlüsselfrage lautete ›Auf welcher
     Seite stehst Du?‹«, laute in identitären Konflikten die Frage: »Wer bist Du?« Kurzum: Entgegen der häufig geäußerten Annahme,
     er würde eine prinzipielle |174| Feindschaft der Zivilisationen, gewissermaßen die Ewigkeit kultureller Gegensätze lehren, hat Huntington selbst gezeigt, dass
     es bestimmte moderne, zeitgenössische Veränderungen sind, die die scheinbare Rückbesinnung auf Herkunft, Religion, Kultur
     begünstigen. 153
    Die globale Ausbreitung des westlichen Konsummodells generiert Stress, weil es, seinem eigenen universalistischen Gestus zum
     Trotz, natürlich kulturell keineswegs neutral ist: Es ist die Kultur »weißer und männlich dominierter Eliten in den fortgeschrittenen
     Ländern« 154 (Fre deric Jonneson) und als solches sowohl begehrt als auch eine Herausforderung. Natürlich ist dies eine Herausforderung, auf die
     die »Kulturen« reagieren müssen und auf die sie unterschiedlich reagieren können. Die scharfe Distanzierung, der Versuch der
     islamistischen Fundamentalisten, »die lokale Kultur von den Verderben bringenden Einflüssen der Außenwelt abzuschotten«, die
     »Kommuni kation mit einer Welt, die man für krank und sündig hält, abzubrechen«, 155 ist nur eine der möglichen Reaktionsweisen – die selbstbewusste Adaption und Umformung des westlichen Kulturmodells, wie
     es in China und anderen ökonomisch erfolgreichen asiatischen Gesellschaften geschieht, ist eine andere 156 . Und natürlich speist sich auch die »Ware Kultur«, die vom Westen universalisiert wird, nicht nur und simpel aus dem Zeichenfundus
     der weißen, angelsächsischen amerikanischen Mittelstandskultur – schließlich ist diese mächtig genug, sich für äußere Einflüsse
     zu öffnen. Dies zeigt sich nirgendwo eindrucksvoller als in der Kannibalisierung von Elementen des Unterschichtenstils oder
     der früheren schwarzen (Sub-)Kultur in der modernen Warenproduktion, wenn es etwa darum geht, modischen Textilien, coolen
     Drinks oder angesagten Sportartikeln einen gehörigen Schuss »Street Credibility« zu verleihen. Ausdruck dieser gelegentlich |175| recht kuriosen Ambivalenzen ist es auch, wenn findige antiwestliche Geschäftsleute kulturkämpferische »Gegenwaren« auf den
     Markt werfen wie die in Islamistenkreisen beliebte

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