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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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»Mecca-Cola« 157 , oder wenn, nicht viel weniger paradox, Unternehmen mit einer globalen Kundschaft versuchen, ihre Produkte so »kulturneutral«
     wie möglich zu gestalten. So entwickelte die Kette der Westin-Hotels ein Jahr lang einen Duft, der ab nun die Geruchs-Identität
     in jedem ihrer Hotels auf dem Globus prägen soll. Durchgesetzt hat sich ein Odeur, das sich von Weißem Tee ableitet. Die Schwierigkeit
     bestand darin, einen Duft zu kreieren, der »von Männern und Frauen und auch von den Angehörigen verschiedener Ethnien gleichermaßen
     als angenehm empfunden« wird. 158
    Dschihad mit Brause.
    Mecca-Cola ist bei antiwestlichen Muslimen der letzte Schrei.
    Nichtsdestoweniger darf uns diese »Hybridität« – also |176| die künstliche Vermengung bestehender kultureller Stile und die Züchtung neuer – nicht blind dafür machen, dass die globale
     Konsumkultur nicht einfach zu einer Gleichberechtigung einer Vielzahl von Stilen führt, sondern eben auch zu einem globalen
     kulturellen Ranking, wobei für die weniger fortgeschrittenen Regionen der Welt auch im kulturellen Ranking die unteren Plätze
     fix reserviert sind. Genauso reagieren übrigens die kulturellen Habenichtse nicht einfach mit einer identitären Revolte, etwa
     indem sie sich auf das Hergebrachte besinnen, sondern indem sie das Hergebrachte auf sehr moderne Weise umformen. Auch hierfür
     wiederum ist der zeitgenössische Islamismus ein sehr lehrreiches Exempel.
    Die klügsten Kenner der Geschichte und Gegenwart des Islamismus haben diesen Aspekt hellsichtig analysiert – nur leider werden
     diese Analysen in der aufgeheizten Atmosphäre des globalen Kulturkampfes, in dem der Westen sich gerne als fortschrittlich
     und liberal und seine Feinde als anachronistische Wüstenkrieger imaginiert, die noch mit beiden Füßen im siebten Jahrhundert
     stünden, nicht ausreichend wahrgenommen. »Die Reislamisierung geht Hand in Hand mit der Globalisierung«, schreibt der algerischstämmige
     Soziologe Fouad Allam. 159 Für den französischen Islamwissenschaftler Gilles Kepel ist der Islamismus eine
moderne
Reaktion auf die Moderne, so wie der Bolschewismus oder die Neue Linke der 60er Jahre eine moderne Reaktion auf den fortgeschrittenen
     Kapitalismus waren. 160 Olivier Roy, ein anderer führender Kenner der muslimischen Welt, interpretiert den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus
     deshalb sogar als ein Symptom für »Verwestlichung« – eine »Verwestlichung«, die etwas anderes meint, »als selbst westlich
     zu werden«. 161 Roy: »Das Gefühl, einer Minderheit anzugehören, hat sich durch die ›Verwestlichung‹ oder zumindest |177| Globalisierung der traditionellen muslimischen Welt noch verstärkt.« 162
    Damit ist nicht nur der ebenso simple wie unbestreitbare Umstand gemeint, dass die islamische Welt durch die Globalisierung
     mit kulturellen Mustern in Berührung kommt, von denen sie ohne Globalisierung nichts wüsste; auch nicht allein die Tatsache,
     dass der Import einer global hegemonialen Kultur als Bedrohung hergebrachter Kulturen in den »empfangenden Kulturen« angesehen
     wird; auch nicht allein der Umstand, dass die Milieus, in denen die Saat des Islamismus auf fruchtbaren Boden fällt, weitgehend
     aus Entwurzelten bestehen – sei es in den wuchernd wachsenden Metropolen der muslimischen Welt, sei es in den muslimischen
     Einwanderercommunities in Europa. All das sind wichtige Faktoren, die für eine analytische Beurteilung des Islamismus bedeutend
     sind. Viel frappierender ist aber, dass die islamistischen Bewegungen selbst einige der strukturellen Mechanismen adaptieren,
     die den globalen Kulturkapitalismus auszeichnen. So sind sie selbst in den islamischen Gemeinschaften das Neue, das das Hergebrachte
     herausfordert. Schon in der iranischen Revolution Ende der siebziger Jahre kursierten Kassetten mit den Reden der Heißsporne,
     die nach und nach die traditionellen und lokalen islamischen Autoritäten ersetzten. Der Islamismus hat es zumindest teilweise
     geschafft, »die historische und kulturelle Dimension des Islam anzufechten und schließlich zu verdrängen« 163 . Die Fülle und regionale Vielfalt der lokalen islamischen Kulturen wurde durch eine Art Einheitsislam ersetzt, den Allam
     mit der klugen Wendung »globaler Protest-Islam« charakterisiert, der auch seine Zeichensprache und Insignien zu Lebensstilen
     globalisiert. Dazu gehört »der Gebrauch des Schleiers mit denselben Merkmalen von Jakarta bis

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