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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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sie es sehr schwermütig, aber meistens glaube ich ihnen – dass sie zufrieden sind oder versuchen, zufrieden zu sein. Sie arbeiten, lieben ihre Kinder und interessieren sich für Dinge wie Wandern oder ein neues Haus – ein Zweithaus, das sie gern hätten und in dem sie die Wochenenden verbringen.
    »Und wie geht es Maria?«, frage ich. Oder Annie oder Joyce.

    »Ach. Mal besser, mal schlechter.«
    So antwortete mein Freund Shay, den ich sieben Jahre nicht gesehen hatte und den ich sehr mag, aber nicht nur ihn, sondern auch einen kleinen Angeber namens Peter, dessen Frau es recht geschieht, wenn es ihr schlecht geht, und einen Typen, der auf den Namen Tommy hört – dieser seltsame, unmögliche Exfreund, der in Gott weiß was für einem Eheglück mit vier »fantastischen« Kindern endete: Selbst Tommy wirkt bei der Erwähnung des Namens seiner Frau unsicher, als könne er sich nicht recht daran erinnern, was sie derzeit mit ihrem Leben anfangen soll.
    Es belastet mich ein wenig, dass die Frauen meiner Freunde so unglücklich sind. Sogar Shays Frau Maria, die ich damals wirklich nicht leiden konnte. Mich belastet die eifrige Traurigkeit seiner Liebe zu ihr. Und in gewisser Weise frage ich mich, warum er mir davon erzählt.
    Natürlich ist es einfacher, Dinge wie diese mit jemandem zu bereden, den man nicht jeden Tag sieht. Und ich habe keine Kinder, was mich zu einer Art Neandertaler macht – ich bin immer noch »lebenslustig«. Ich bin immer noch so, wie wir mal waren.
    Nun ja. Manchmal habe ich aber auch das Gefühl, als ginge mein Leben zu Ende. Mein Mann ist alt, sodass ich mich hin und wieder ebenfalls alt fühle. Er ist nicht reich. Er hat seine Frau nicht verlassen – seine Frau ist vor ein paar Jahren gestorben. Mein Mann hat schreckliche historische Ereignisse überlebt, und dann hat er mich gefunden.
    »Also, wie geht’s dir?«, fragt Shay. »Wie zum Teufel geht’s dir?« Und mustert mich von oben bis unten – die meiste Zeit starrt er auf meine Brüste, der Arme.

    »Gut, danke. Wirklich gut.«
    Gewöhnlich sind es Männer, mit denen ich mal geschlafen habe, diese Typen aus meinem Heimatort, die mit den traurigen Frauen. Wenn ich ehrlich bin. Aber das ist nicht das Wichtige an ihnen. Um Sex habe ich nie großes Aufheben gemacht. Was mir auf den Keks ging, war meist etwas anderes.
    »Du siehst gut aus«, sagt er, womit er meint, dass ich nicht dick geworden bin und nicht neben der Spur. Ich bin noch immer ausgeglichen oder versuche es zu sein, während ich an dem kleinen Tisch sitze und den Kellner in ein langes Gespräch darüber verwickle, ob und wann wir essen werden.
    Shay sieht mich dabei an. Ihm gefällt es auf eine Weise, die ich irritierend und angenehm zugleich finde. Er ist stolz auf meinen Sachverstand. Und als ich mir eine Zigarette anzünde, stößt er – die Iren rauchen nicht mehr – einen nostalgischen Seufzer aus, und ich sehe, wie sich seine Fingerspitzen begierig der Schachtel nähern.
    »Sláinte.«
    »Zum Wohl.«
    Meinem Mann ist dieses mein soziales Ich egal; es kümmert ihn nicht, dass ich auf altmodische Weise irisch bin und neuerdings auch französisch angehaucht. Meine Strickjacke von Agnès B. und mein leicht hinterwäldlerisch wirkender Hermès-Schal sind gewiss nicht die Dinge, derentwegen er mich schön findet. Manchmal wünsche ich mir, er würde mich verstehen, sozusagen auf käufliche Weise, aber meistens bin ich zufrieden. Ich weiß nicht, warum mein Mann gerade mich liebt, aber
ich weiß, für uns beide ist es ein großes romantisches Liebesabenteuer.
    »Schön, dich zu sehen.«
    »So schön, dich zu sehen!«
    »Also, wie geht’s?«, fragt Shay. »Was gibt’s denn so?«
    Es ist wunderbar, Shay zu sehen. Wir sind in Dublin zusammen aufs College gegangen, vor allem aber kenne ich ihn von unserer gemeinsamen Arbeit in London. Eine Weile lang trafen wir uns immer, wie sich Exil-Iren halt so treffen, an Freitagabenden wurden immer ungeheure Mengen gesoffen – vermutlich, damit wir nicht zusammen im Bett endeten. Nicht dass das immer geklappt hätte. Das alles kommt mir heute wie ein anderes Leben vor, aber da sitzt er nun, ganz von sich eingenommen.
    »Ach, weißt du, nicht viel.«
    Was habe ich schon zu erzählen? Mein Mann ist dreiundsechzig. Er hat keine Arbeit. Er ist aus Saigon. Ich weiß genau, was er denkt, wenn ich ihm in die Augen schaue. Er wiederholt sich nie. Er hat mir einmal erzählt, was er alles durchgemacht hat – das hat er mir im Laufe einer

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