Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
-, während Katy immer lauter jammerte.
»Halt den Mund!«, sagte sie und zerrte das Kind am Oberarm, so wie eine Frau, die man irgendwo am Straßenrand sieht. Um ein volles Crescendo zu bewirken, entfernte sie sich mit schnellen Schritten, bis beide heulend und kreischend hinter ihr hergerannt kamen.
Ihre prächtigen Kinder. Ihr ganzer Stolz.
Drei Tage später reisten sie ab. Die Plastikkiste war mit Spielzeug vollgestopft, die nasse Wäsche gammelte in irgendeiner Tüte lustig vor sich hin; muffig riechend saßen sie in ihren ungewaschenen Klamotten im Auto und fuhren gen Norden.
Nach einem knappen Kilometer sagte Katy: »Das waren die absolut fantastischsten Ferien, die ich je gehabt habe.«
»Wirklich?«, fragte Michelle.
»Ja.«
»Was hat dir denn daran so gut gefallen?«
»Am besten?«
»Na schön, am besten.«
»Am besten hat mir unser Häuschen gefallen.«
»Ach ja?«
»Dir hat unser Häuschen gefallen?«
»Ich denke schon.«
Dec warf einen Blick nach hinten und lächelte kurz.
Michelle war noch ganz benommen, denn bevor sie losfuhren, hatte sie geputzt. Irgendetwas hatte sie getrieben, jeden Zentimeter des Häuschens gründlich zu wischen, bis sie sich rücklings daraus zurückgezogen hatte. Sie war wie von Sinnen gewesen, und schließlich hatte sie das Putztuch in den Mülleimer vor der Eingangstür geworfen. Für die Küchenanrichte und für das Klobecken hatte sie dasselbe Tuch benutzt, und plötzlich überlegte sie, ob sie die richtige Reihenfolge eingehalten hatte. Sie überlegte, was sich im Kofferraum und was sich in der Dachbox befand – hatten sie irgendetwas vergessen? Hatte sie die richtige Anzahl Kinder auf dem Rücksitz, und brachten sie vielleicht zusätzlich eine Leiche mit nach Hause?
Bis zum Tod der jungen Frau
Die junge Frau starb.
Was ging mich das an? Die junge Frau starb. Und es hatte nichts mit uns zu tun, weder mit ihm noch mit mir. Sie starb auf eine ganz blöde Art, wie Leute eben sterben – bei einem Autounfall, in Italien. Wo sie vermutlich auf der falschen Straßenseite gefahren war.
Das Dummerchen.
Wäre die junge Frau nicht gestorben, hätte sich keiner für sie interessiert. Sie wäre bloß ein Seitensprung gewesen; mein Mann neigt nämlich zu solchen – in letzter Zeit weniger häufig, doch, ja, alle paar Jahre macht er seinen Seitensprung, etwa nach einer Büroparty oder auf einer Geschäftsreise. Ich glaube nicht, dass er Prostituierte aufsucht – ich meine, einige Männer tun das, es ist wie ein Zwang bei ihnen. Eigentlich sogar viele Männer – nicht jedoch mein Mann. Und ich weiß, ich weiß, das muss ich ja sagen, aber …
Im Lauf der Jahre habe ich viel darüber nachgedacht; in Artikeln oder Zeitschriften habe ich so einiges gelesen. Ich habe mich gefragt: Was treibt sie eigentlich dazu, und was hält sie zurück, was wollen sie eigentlich, die Männer? Es ist das große Rätsel, nicht wahr? Was Männer
»wollen«. Und welchen Schaden sie bereit sind anzurichten, um es zu kriegen.
Die Dinge, von denen man in der Zeitung liest.
»Aber klar doch, sie sind alle gleich.« Hat das nicht immer Ihre Mutter gesagt? »Sie sind alle gleich.«
Dabei sind sie es gar nicht. Sie haben ihre Gründe, und sie haben ihre Grenzen. Herzen haben sie auch noch. Und ich kann ohne den Anflug eines Zweifels sagen, dass mein Mann nicht der Typ Mann ist, der sich Sex auf der Straße kauft. Er mag Vertrautheit. Danach sehnt er sich. Er ist der Typ Mann, der einem immer in die Augen sieht. Er liebt die Frauen – sogar ältere. Er redet gern mit ihnen, sorgt dafür, dass sie sich wohlfühlen, er ist ein großer Küsser und lebt gern ein bisschen gefährlich; er liebt das Schwermütige an alldem, kommt sich jung dabei vor. Und mich liebt er auch.
Er ist kein Mistkerl, das ist es, was ich damit sagen will. Ich will sagen, dass er ein fantastischer Mann ist. Mein Mann ist ein fantastischer Mann. Und bis zum Tod der jungen Frau, die in der Toskana in ihrem kleinen Renault Clio auf der falschen Straßenseite dahinflitzte, bis zum Tod dieser jungen Frau reichte mir das durchaus. Mit einem fantastischen Mann verheiratet zu sein, der mich liebte und alle Jubeljahre für einen kleinen Seitensprung anfällig war, verbunden mit jeder Menge katholischer Schuldgefühle. Ach, der verdammte Blumenstrauß und der neue Mantel vom Schlussverkauf bei Richard Alan. Ist es das nicht wert?, habe ich immer gesagt. Verdammt noch mal, ist es das nicht wert, wenn dabei ein Einkaufsbummel bei
Weitere Kostenlose Bücher