Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
Tag weder billigen noch gänzlich verzeihen, und verstanden habe ich es niemals. Tatsächlich mußten Jahre vergehen, ehe wir wieder aufrichtig miteinander sprechen und korrespondieren konnten.
In herzlicher Verbundenheit
Ihr Phillip Asher
Holyoke Street
23. November 1914
Lieber Mr. Asher,
es hat mir sehr leid getan zu hören, daß ich, wenn auch vielleicht nur am Rande, an einem Bruch zwischen Ihnen und Ihrem Bruder mitgewirkt habe. Ich hoffe, dieser Bruch ist mittlerweile geheilt. Samuel und ich befanden uns damals in einer schwierigen, um nicht zu sagen unhaltbaren Situation, und er hat getan, was er für unumgänglich notwendig hielt. Die Zeit hat mir geholfen, seine Entscheidung zu verstehen und mich mit ihr zu versöhnen. Samuel besaß viele wunderbare Eigenschaften, und ich habe ihn sehr geliebt. Was immer Sie an jenem Tag auf meinem Gesicht gelesen haben, war echt.
Ich erinnere mich nicht, Sie an dem Morgen im Haus bemerkt zu haben. Ich vermute, mein Anliegen und die spätere tiefe Niedergeschlagenheit hatten mich für alles um mich herum blind gemacht – außer für Ihren Bruder. Ich erinnere mich jedoch an ein Tennismatch auf dem Schulplatz. Wenn ich mich nicht irre, schlugen Sie den Ball weit über den Zaun auf die Straße hinaus.
Ich hoffe, Sie werden ein angenehmes Thanksgiving-Wochenende in Thrupp verbringen, wenn Sie auch gewiß Ihre Familie in Exeter vermissen.
Ihre ergebene Freundin
Etna Van Tassel
Hotel Thrupp
24. November 1914
Liebe Mrs. Van Tassel,
der Gedanke, daß Sie sich an diesen dilettantischen Weitschlag bis auf die Straße erinnern, bringt mich in freudige Verlegenheit. Ich muß gestehen, es ist bis heute kein anständiger Tennisspieler aus mir geworden.
Soeben wurde mir ein Brief Ihres Gatten überbracht, mit dem er mich für heute abend halb sechs Uhr zu einem Drink in Ihr Haus bittet. Ich denke, ich kann nicht ablehnen, aber ich wünschte, ich könnte die Angelegenheit mit Ihnen besprechen, bevor ich mich auf den Weg mache. Ich freue mich darauf, Sie zu sehen, sollten Sie heute abend da sein.
Zu dem, was wir in unseren vorherigen Briefen kurz berührt haben, möchte ich nur noch sagen, daß der Ausdruck in Ihrem Gesicht an jenem Morgen, der nun schon so viele Jahre zurückliegt, mir zu einer Art Vorbild geworden ist, an dem ich meine Zuneigung zu jeder Frau messe, der ich mich nahe fühle, und ebenso die Zuneigung jeder Frau zu mir. Sie zählen für mich zu den glücklichsten Menschen, da es Ihnen gegeben war, einem anderen so starke Gefühle entgegenzubringen, ganz gleich, wie traurig der Ausgang war. Denn ist nicht das der Sinn unseres Daseins?
Ihr ergebener
Phillip Asher
Hotel Thrupp
25. November 1914
Liebe Mrs. Van Tassel,
ich weiß kaum, wie ich Ihnen heute morgen schreiben soll. Wenn auch Ihr Gatte keineswegs ungastlich war, so wurde mir doch gestern abend offenkundig, daß meine Anwesenheit in Thrupp ihm überhaupt nicht gelegen kommt. Ja, er machte zum Schluß eine Bemerkung, die nur als Ultimatum verstanden werden kann. Mir hat das zu Bewußtsein gebracht, wie unschicklich es für mich ist, Ihnen weiterhin zu schreiben. Es macht mich sehr traurig, es sagen zu müssen, aber ich glaube nicht, daß wir diesen Briefwechsel fortsetzen können, so harmlos er ist.
Es war eine Freude, Sie gestern in Ihrem Haus zu sehen – wenn auch nur kurz. Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Sie mit den Jahren nur noch schöner geworden sind.
In herzlicher Zuneigung
Ihr Phillip Asher
Holyoke Street
27. November 1914
Lieber Mr. Asher,
ich bedauere sehr, wenn es zwischen Ihnen und meinem Mann Nicholas Unerfreulichkeiten gegeben hat. Ich kann mich an dieser Debatte nicht beteiligen und möchte auch nicht mehr darüber wissen. Sie mögen recht haben mit Ihrer Vermutung, daß es meinen Mann bekümmern würde, sollte er von diesem Briefwechsel erfahren, dennoch bin ich der Auffassung, daß ich durchaus in der Lage bin, selbst zu beurteilen, ob er weitergeführt werden sollte oder nicht.
Aufrichtig
Etna Van Tassel
Hotel Thrupp
29. November 1914
Liebe Mrs. Van Tassel,
es lag nicht in meiner Absicht, Ihre Selbständigkeit und Ihr Urteilsvermögen anzuzweifeln. Aber es ist nun einmal Tatsache, daß wir, Sie und ich, Dinge wissen, von denen Ihr Gatte keine Ahnung hat. Auch wenn dieser Briefwechsel, wie ich schon sagte, durchaus harmlos ist, kann man im Licht der Einstellung Ihres Gatten mir gegenüber, wie sie sich mir vor kurzem darlegte, nicht behaupten, es gäbe
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