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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Professor Van Tassel«, sagte sie, überrascht, aber auch fasziniert. »Endlich erklären Sie sich!«
    »Und ich tue es mit Freuden, glauben Sie mir.«
    »Sie fühlen sich zu meiner Schwester hingezogen?« fragte sie.
    »Sehr.«
    »Und weiß sie davon?«
    »O ja.«
    »Es wundert mich, daß sie mir nichts davon gesagt hat. Sie wissen doch sicher, daß Etna keinerlei Einwände dagegen erhoben hat, das Haus unseres Onkels zu verlassen?«
    Die Spitze sollte verletzen, und sie tat es. »Vielleicht sah sie es als ihre Pflicht an, mit Ihnen zurückzukehren, wenn auch für noch so kurze Zeit«, entgegnete ich. »Vielleicht glaubte sie auch, der Ortswechsel würde helfen, die Bedenkzeit zu einem raschen und glücklichen Ende zu bringen.« Um die leichte Spannung zwischen uns zu lösen, fügte ich hastig hinzu: »Und mir ist natürlich klar, daß sie ihre Schwester sehr vermißt hat.«
    Miriam Keep ließ sich von der Schmeichelei nicht beeindrucken. »Meine Schwester denkt über einen Antrag nach?« fragte sie. »Einen Heiratsantrag?«
    »Ja.«
    »Ich bin überrascht«, sagte sie und musterte mich so scharf, daß sie dabei tatsächlich die Augen zusammenkniff. Vielleicht war sie kurzsichtig. »Davon hatte ich keine Ahnung. Und ich bin doppelt überrascht, daß sie geschwiegen hat. Nun, ich kann nicht sagen, ob ich Ihnen Erfolg wünsche oder nicht, Professor Van Tassel, da ich Sie ja überhaupt nicht kenne.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Aber Sie können mir glauben, daß mir nichts mehr am Herzen liegt als das Glück meiner Schwester«, fuhr sie fort.
    »Und was sollte dem Glück deiner Schwester im Weg stehen?« ertönte eine Stimme aus dem Flur.
    Die massige Erscheinung, die sich unversehens an der offenen Tür zeigte, entsprach der dröhnenden Baritonstimme.
    Josip Keep ging meiner Schätzung nach auf die Vierzig zu. Er hatte glänzendes schwarzes Haar, das sich von einem leicht zurückweichenden Haaransatz stark geölt nach rückwärts wellte. Das ansprechende Gesicht ließ erkennen, daß man ihm allgemein Achtung entgegenbrachte.
    »Liebster«, rief Miriam. Sie stand augenblicklich auf, eine merkwürdige Umkehrung der gesellschaftlichen Etikette, wie mir schien. »Das ist Professor Van Tassel. Er ist gekommen, um Etna seine Aufwartung zu machen.«
    »Um diese Tageszeit? An einem Sonntag?«
    »Verzeihen Sie«, sagte ich.
    »Wir sind eben auf dem Weg zur Kirche«, sagte er, ziemlich unhöflich, fand ich; er hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich mir vorzustellen. »Sind Sie gläubig?« fragte er, während er seine Handschuhe überzog.
    »Ja«, antwortete ich, ohne mich näher zu erklären.
    »Und welcher Kirche gehören Sie an?«
    Ich ging höchst ungern und viel zu selten zum Gottesdienst und hatte mich daher, der Überlegung folgend, daß kaum Kollegen sich solche Unbequemlichkeit antun würden, einer etwa zehn Kilometer vom College entfernten presbyterianischen Gemeinde angeschlossen. (Trotzdem bemerkte ich eines Tages zu meiner Überraschung Moxon in einem Kirchenstuhl auf der anderen Seite des Gangs. Da er aber so unregelmäßig wie ich zum Gottesdienst erschien und so wenig wie ich daran interessiert war, diese Laxheit an die große Glocke zu hängen, vermieden wir es, einander nach der Kirche zu begrüßen oder das Zusammentreffen später zu erwähnen, gerade wie Männer, die dasselbe Bordell besucht haben, einander bei einer späteren geschäftlichen Begegnung tunlichst nicht erkennen.)
    »Ich bin Presbyterianer, Sir«, sagte ich.
    »Aha. Wir sind Unitarier.« Etwas abschätzig wandte Keep sich von mir ab. Presbyterianer konnten ihn nicht beeindrucken. »Miriam, wo ist deine Schwester? Wir kommen noch zu spät.«
    »Sie wird gleich hier sein, Schatz.«
    »Ich hoffe, das ist nicht typisch für sie.«
    »Ganz bestimmt nicht«, versicherte Miriam, von ihrem Ehemann einigermaßen eingeschüchtert.
    »Und die Kinder?«
    »Etna bringt sie mit herunter.«
    »Es wird eng werden in der Bank«, sagte Keep. »Vielleicht könnte Etna sich zu den Kindern setzen?«
    »Wenn du meinst, daß es nicht anders geht«, erwiderte Miriam mit einem schnellen Blick in meine Richtung.
    An diesem Punkt wurde mir klar, wie unerträglich die Situation für Etna sein mußte – unerwünschter Gast im Haus ihrer Schwester (das zuvor ihr Haus gewesen war), allenfalls als Gouvernante ihrer Neffen und Nichten geduldet –, und ich beschloß, mein Anliegen mit doppeltem Nachdruck zu verfolgen.
    Etna kam ins Zimmer zurück, das schöne

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