Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
Haar jetzt artig gebändigt. Miriam forderte mich auf, nach dem Kirchgang mit der Familie zu Mittag zu essen, und ich nahm trotz Keeps verdrossener Blicke in meine Richtung die Einladung an.
Doch Etna bereitete uns allen eine Überraschung. »Miriam, nimm es mir bitte nicht übel«, sagte sie, »aber ich gehe heute nicht mit euch zur Kirche. Professor Van Tassel hat diese weite Reise meinetwegen auf sich genommen, ich muß jetzt mit ihm sprechen.«
Miriam schien gekränkt, wußte aber nichts zu entgegnen. Sie konnte ja nicht gut darauf bestehen, daß ihre Schwester sie zur Kirche begleitete. Es freute mich für Etna, daß sie ihrer Schwester die Stirn geboten hatte, gleichzeitig wurde mir klar, daß ihr Leben in Exeter wahrscheinlich aus einer endlosen Folge von Verhandlungen bestand.
Voll Unbehagen warteten Etna und ich den nun folgenden Wirbel des Aufbruchs ab; wir wollten nicht unhöflich sein, sosehr es uns auch zum Gespräch drängte. Ich nutzte die Zeit, mir Sätze für den Antrag zurechtzulegen, den ich vorbringen wollte, denn ich spürte deutlich, daß mir, wenn ich heute scheiterte, der Erfolg für immer versagt bleiben würde. In meiner Ungeduld begann ich zu sprechen, noch ehe sich der Wagen draußen in Bewegung gesetzt hatte.
»Hören Sie mich an«, sagte ich und hob die Hand, um Protest abzuwehren. »Ich biete Ihnen ein Leben als Herrin in Ihrem eigenen Haus, als Mutter Ihrer eigenen Kinder, als Ehefrau eines Mannes, der Sie abgöttisch liebt. Im Moment erscheint Ihnen Ihre Situation vielleicht als annehmbar, aber Ihr Leben hier wird Ihnen unerträglich werden. Das war für mich selbst in der kurzen Zeit zu erkennen, die ich hier zugebracht habe. Sie sagen, Sie möchten den Kindern Ihrer Schwester Erzieherin sein, aber was für eine Position werden Sie einnehmen, wenn diese Kinder erwachsen sind? Und würden Sie es nicht vorziehen, eigene Kinder zu erziehen? Ich biete Ihnen alles, was ein Mann einer Frau bieten kann, samt seinem Herzen, seinem Verstand und seinem bescheidenen Vermögen. Wollen Sie ein solches Angebot wirklich ausschlagen?«
Je länger ich sprach, desto hitziger wurde ich. Ob sie sich denn ihres Werts nicht bewußt sei, fragte ich. Ob sie wirklich bereit sei, sich mit einem solchen Dasein zu begnügen. Ihrer Vorstellung von Glück könne das doch keinesfalls entsprechen. Ob sie alle Hoffnung auf Heirat, auf ein eigenes Heim und eigene Kinder aufgegeben habe. Die Empörung hinter meiner Erregung war aufrichtig, auch wenn sie sich gut mit meinen Zukunftshoffnungen vereinbaren ließ.
Ich drückte die geballten Hände in meine Seiten. Das Schweigen, das folgte, schien übermäßig lang und war quälend.
Endlich sprach Etna. »Niemals könnte ich ein so generöses Angebot leichten Herzens ausschlagen, Professor Van Tassel. Das könnte wohl keine Frau, wenn es so aufrichtig gemeint ist. Und ich bewundere Sie, wirklich. Ich habe Sie gern. Ich …« Sie lächelte leicht. »Sie sind oft amüsant trotz Ihrer Ernsthaftigkeit.«
Ich wußte nicht recht, wie ich das aufnehmen sollte, doch wenn der Gedanke Etna zu einem Lächeln bewegen konnte, dann sollte mir die Neckerei recht sein.
»Aber«, fuhr sie fort und hielt inne. Sie besaß den Mut, mir gerade in die Augen zu sehen. »Ich muß offen sein: Ich liebe Sie nicht.«
Es war eine große Stille im Raum. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als wollte es lauschen. Ich konnte nicht sprechen oder mich bewegen. Es kam nicht daher, daß ich eine solche Antwort nicht erwartet hätte (tatsächlich hatte ich sie in meinen Phantasien unzählige Male gefürchtet); aber die Worte laut und so direkt ausgesprochen zu hören wirkte auf mich wie ein Schlag, der mich ins Innerste traf. So sehr hatte ich gewünscht, es möge nicht so sein. Ich hatte gehofft, meine tiefe Liebe zu ihr könnte ansteckend sein. Ich hatte gehofft, daß sie, wenn kein tieferes Gefühl vorhanden war, dies wenigstens nicht aussprechen würde. Und warum sollte sich im Lauf der Zeit nicht noch echte Zuneigung entwickeln?
»Sie verstehen, was ich sage?« fragte sie beinahe zaghaft.
Vielleicht nickte ich. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich unfähig war zu sprechen.
»Ich glaube nicht, daß ich Sie … lieben könnte … so wie eine Frau ihren Mann lieben sollte«, erklärte sie mit Mühe.
Ich stand eine ganze Weile bewegungslos da, während sie mich ansah. Zu meiner Bestürzung und meiner tiefen Beschämung sprangen mir plötzlich Tränen in die Augen. Ich zwinkerte
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