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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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heftig, um sie zurückzudrängen.
    Sie berührte meinen Arm. »Nicholas«, sagte sie leise. »Sie erschüttern mich.«
    Ich konnte immer noch nicht sprechen. Ich schüttelte nur den Kopf.
    »So teuer bin ich Ihnen?« fragte sie.
    Ich zog mein Taschentuch heraus. Ich antwortete ihr nicht, es war nicht nötig.
    »Ach, Sie Armer«, sagte sie überrascht mit sanfter Stimme.
    So standen wir einige Zeit. Das Ticken der Uhr in der Ecke klang laut. Ein Wagen fuhr draußen am Fenster vorüber. Der Fahrer rief einem Passanten etwas zu. Aus einem der oberen Räume waren Schritte zu vernehmen. Jeden Moment, dachte ich, würde ein Dienstbote uns stören, um zu fragen, ob wir Tee wollten.
    Sie wandte sich ab und blickte zum Fenster hinaus. Ich kann nur Mutmaßungen darüber anstellen, was ihr durch den Sinn ging. Nach einigen Minuten drehte sie sich wieder zu mir um. »Ich nehme Ihren Antrag an«, sagte sie so leise, daß ich mir nicht sicher war, richtig gehört zu haben.
    Ich wagte nicht, sie zu bitten, ihre Worte zu wiederholen. Ich stand wie erstarrt vor Angst, ich könnte falsch verstanden haben und würde gleich entdecken, daß sie etwas ganz andres gemeint hatte. Ich wußte da schon, daß ich eine zweite Enttäuschung nicht würde ertragen können.
    (Natürlich hätte kein Ehrenmann – Ehren mann wohlgemerkt! – ein solches Opfer einer Frau angenommen.)
    Etna neigte sich mir zu und küßte mich auf die Wange. »Wir werden nicht mehr von Liebe sprechen«, sagte sie, »weder von ihrer Anwesenheit noch von ihrer Abwesenheit.«
    Endlich fand ich meine Stimme wieder, auch wenn sie brüchig war von der Heftigkeit einer Gemütsbewegung, wie ich sie nicht kannte. »Ich werde mich stets bemühen, Sie glücklich zu machen«, versprach ich. »Mein eigenes Glück ist so groß, daß es für uns beide mehr als genug sein wird.«
    (Hat man je etwas Törichteres gehört als die Worte eines Mannes, der sich einbildet, seine Liebe sei groß genug für zwei?)
    Ich kramte in meiner Westentasche nach dem Ring, den ich vor zwölf Tagen schon beinahe angesteckt hätte. Ich schob ihn auf ihren Finger. Und als er seinen Platz gefunden hatte – ein Zeichen wofür?, der Liebe?, des Besitzes? –, wagte ich aufzuatmen und ließ wenigstens etwas von den freudigen Gefühlen zu, die ich jetzt mit Recht haben durfte.
    Der Ring funkelte an ihrem Finger. Ich nahm ihre Hand in die meine. Aber da ich fürchtete, erneut in peinliche Tränen auszubrechen, wagte ich nicht, sie zu umarmen. Ich wollte auch nicht mit weiteren Worten den wunderbaren Zauber zerstören, der jetzt diesen Raum samt den verhüllten Möbeln, den Leitern und Farbeimern erfüllte.
    »Ich werde meinen Schwager nicht um seine Zustimmung bitten«, sagte Etna. »Ich bin alt genug, um eine solche Entscheidung allein zu treffen.«
    Sie schaute weg. Bereute sie ihre spontane Entscheidung bereits? Zitterte sie im Innern über die Unbesonnenheit ihrer Worte?
    »Es wird Ihnen nicht leid tun«, sagte ich kühn. (Aber wie kann man so etwas versprechen? Man kann es nicht, man kann es nicht.) »Ich werde Sie immer lieben«, fügte ich hinzu.
    Sie sah zu unseren vereinten Händen hinab, dann hob sie den Blick zu meinen Augen.
    »Ich weiß«, war alles, was sie sagte.
    Keep war schockiert, ich sah es ihm an. Er salbaderte ein wenig herum, es war jedoch nur eine harmlose Tirade, die an mir abprallte. Miriam gab sich überglücklich, war es aber für mein Gefühl nicht, sondern dachte, wie ihr Mann, sicherlich nur daran, wie ungelegen Etnas Scheiden kam. Ich erinnere mich heute kaum daran, wie der Rest des Nachmittags verlief. Ich war in verzweifelter Mission nach Exeter gereist und hatte gewonnen, ich konnte es kaum glauben. Hin und wieder ergriff ich Etnas Hand, und als sie mich später zur Tür brachte, küßte ich, vom Erfolg berauscht, zum Abschied ihren Mund. Ich muß allerdings gestehen, daß sie meine Leidenschaft nicht erwiderte. Sie reagierte kaum. Trotzdem hielt ich sie, des bevorstehenden Abschieds eingedenk, noch einige Augenblicke im Arm, ehe ich sie freigab. Dann wurde die Tür geöffnet, und ich stand auf der Vortreppe: erschöpft, mitgenommen und selig vor Glück.
    Plagten mich an diesem Abend oder in den folgenden Tagen Bedenken? Hatte ich vielleicht das Gefühl, meine Besitzgier habe die Oberhand über mein gesundes Urteilsvermögen gewonnen? Fragte ich mich, ob sich nicht ein anderer Mann, der sich besser in der Gewalt hatte als ich, von der Eröffnung, daß seine Liebe nicht erwidert

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