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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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verhießen ein Leben, das an Komfort und Spannung alles bisher Dagewesene übertreffen würde. Ja, es waren helle Zeiten, auch für mich, mittendrin (oder besser: am Nordostzipfel des Landes), besonders günstig, wie es schien, um zu heiraten und eine Familie zu gründen.
    Etna und ich wurden am 28. Mai im kleinen Kreis in der College-Kapelle in Thrupp getraut. Etna, im beigefarbenen Seidenkleid, trug einen Brautstrauß aus Flieder, der überall auf dem Collegegelände gerade in voller Blüte stand und den Tag, ja, sogar die eigentliche Feier, mit herrlichem Duft erfüllte. Noch heute fühle ich mich, wenn ich an einem blühenden Fliederstrauch vorüberkomme, zu jenem Maimorgen zurückversetzt. In der Nacht hatte es geregnet, und als wir erwachten, waren Gras, Bäume und Blüten so frisch, als wären sie eigens zur Feier dieses Tages reingewaschen worden. Schöne Tage sind in New Hampshire im Frühjahr eine Seltenheit (der Frühling ist in den nördlichen Staaten Neuenglands die unerfreulichste Jahreszeit – meist kommt er spät und bringt mehr Matsch und Regen mit, als einem lieb sein kann), aber dieser Tag war ein Geschenk. Ich nahm es als ein Omen. Oder besser gesagt, ich wünschte mir, daß es ein Omen wäre.
    William Bliss, der erleichtert schien, daß es mit der Unruhe des vergangenen Winters nun endgültig vorbei war, führte Etna durch eine Seitentür der Kapelle zum Altar. Einer der Geistlichen des College traute uns mit einem Minimum an Zeremoniell, und dank der Sympathie, die die Familie Bliss allgemein genoß (vielleicht auch dank meiner eigenen bescheidenen Bekanntheit), hatten wir ziemlich viele Gäste, die gekommen waren, um uns auf unserem zukünftigen gemeinsamen Weg alles Gute zu wünschen. Etnas Lippen zitterten bei unserem ersten Kuß als Mann und Frau, ein bleiches Flattern, das wohl jedem Bräutigam ans Herz gegriffen hätte und das natürlich auch mich ergriff.
    Ich hatte Etna seit dem Tag in Exeter, als ich ihr meinen Antrag machte, kaum gesehen. Während ich nach Thrupp zurückgekehrt war, blieb sie in Exeter im Haus ihres Schwagers. Sie fehlte mir, aber ich hatte in diesen Wochen so viel zu tun, daß der Trennungsschmerz etwas in den Hintergrund trat. Meine wichtigste Aufgabe war es, das Haus zu finden, in dem wir nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise leben wollten. Nach meinen Vorstellungen sollte es ein hochherrschaftliches Haus sein, meiner schönen Braut würdig, und groß genug für die Kinderschar, die ich mir wünschte. In Thrupp selbst standen in diesem Frühjahr nicht viele großzügige Anwesen zum Verkauf, so daß ich ungezählte Male in die Umgebung hinausfahren mußte, um Häuser und Grundstücke zu besichtigen.
    Im April fand ich endlich ein Objekt, das mich wegen seiner Möglichkeiten begeisterte, auch wenn der Eigentümer den Garten vernachlässigt hatte und das Haus sich in einem Zustand traurigen Verfalls befand. Es war das schönste Grundstück, das ich bisher gesehen hatte, mit herrlichen Rasenflächen, die sanft geneigt zu einem kleinen See abfielen, und einem unvergleichlichen Blick auf das Hügelland in der Ferne. Das Haus, mit einem schindelgedeckten Schuppen und einer Remise, war ein stattlicher zweistöckiger Backsteinbau in einem warmen Rot mit weißgerahmten Fenstern. Die unteren Räume waren sehr hoch, und mir war klar, daß sie schwer zu heizen wären, doch sie verliehen dem Haus eine Großzügigkeit, die den meisten Kolonialbauten in der Wheelock Street (dem Haus der Familie Bliss zum Beispiel) fehlte. Den Speisesaal, der die ganze Länge des Gebäudes auf der einen Seite einnahm, sah ich sofort als künftigen Ort festlicher Abendessen und großer Gesellschaften. Als man mir die Schlafräume in der ersten Etage zeigte, stellte ich mir Etna und mich schlafend in einem riesigen Himmelbett vor und unsere fünf oder sechs Kinder in ihren Zimmern nicht weit von uns unter ihre Daunendecken gekuschelt. Dieses Bild allein genügte, um mich den Vertrag unterschreiben zu lassen.
    Ich zahlte bar, jedoch unter der Bedingung, daß der Eigentümer und seine Familie das Anwesen unverzüglich räumten, damit Zimmerleute, Anstreicher und andere Handwerker sofort damit beginnen konnten, dem Haus seinen alten Glanz zurückzugeben. (Wie sollte man hier nicht an Josip Keep mit seinen Leitern und Farbeimern denken!) Der Mann, den ich mit der Aufsicht über die Renovierungsarbeiten betraute, erhielt den Auftrag, die Leute wenn nötig Überstunden machen zu lassen, um

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