Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
wieder die Gedanken an Asher über mich her. Weder hörte ich den Rest der Unterhaltung bei Tisch, wenn es eine solche gab, noch nahm ich ein einziges Wort meiner Zeitungslektüre auf. Ich sah nur die kühlen und selbstsicheren Gesichtszüge des Mannes aus Yale. Würden nicht Ashers hervorragende Referenzen und Feralds Intriganz ausreichen, um den Verwaltungsrat zugunsten Ashers zu beeinflussen? Einen Moment lang erwog ich allen Ernstes die Möglichkeit, nicht gewählt zu werden. Ich muß etwas unternehmen, dachte ich. Aber was?
»Liebes«, sagte ich und stand auf, »ich muß gehen. Ich bin spät dran.« Ich neigte mich zu Etna hinunter und küßte ihren Scheitel.
»Oh?« Sie sah zu mir auf.
»Eine Besprechung«, erklärte ich. »Ich hätte sie beinahe vergessen.«
»Soll ich dich im Auto mitnehmen?«
»Nein, nein, das ist nicht nötig. Ich gehe zu Fuß. Ich brauche die Bewegung.«
Ich wollte mich nicht von Etna fahren lassen, denn ich hatte gar nicht vor, ins College zu gehen. Ich wollte ins Hotel Thrupp. Ich wußte nicht genau, was ich dort tun würde; ich hatte einfach das Gefühl, ich müßte mich jetzt dorthin begeben.
Das Hotel war nach dem Brand im Jahr 1899 wieder aufgebaut und nach Art eines neuenglischen Gasthauses im Kolonialstil des 18. Jahrhunderts ausgestattet worden, was mir sehr gefiel; wie ich vielleicht erwähnte, hatte ich für das üppige Dekor des 19. Jahrhunderts nicht viel übrig. Holzfußböden mit guten Perserteppichen, helle Tapeten mit weißer Sockeltäfelung, schlichte Möbel aus Kirschholz und Mahagoni empfingen den Gast im Foyer des Hotels, wo ich untätig verweilte in der Hoffnung, daß Asher vorbeikommen würde. Ich wollte dann so tun, als wäre die Begegnung rein zufällig, und ein Gespräch beginnen. Mir lag sehr viel daran, mit dem Mann zu sprechen, ohne den scharfen Blicken Feralds und seiner Kumpane ausgesetzt zu sein. Genauer gesagt, ich wollte nicht bei einem Treffen mit Asher im College beobachtet werden. Eine Zufallsbegegnung im Ort jedoch, ein, zwei Worte – daran war nichts auszusetzen.
Ich machte es mir in einem Sessel in der Ecke bequem, nahm die Thrupp Gazette zur Hand und registrierte zum zweitenmal an diesem Tag nicht ein Wort der gedruckten Nachrichten. Ich wartete so lange, wie man etwa braucht, um eine Lokalzeitung durchzublättern, und wollte gerade aufbrechen, um mich in mein Büro im College zu begeben (das ehemalige Büro Noah Fitchs, in dem ich elektrisches Licht hatte installieren lassen), als mir der Gedanke kam, daß Asher vielleicht im Hotel beim Frühstück saß. Ich machte mich auf den Weg in den Speisesaal, und da saß er tatsächlich, an einem Tisch in der Ecke.
Ein Ober fragte mich, ob ich an diesem Morgen im Hotel speisen würde, und ich packte die unerwartete Gelegenheit beim Schopf und bejahte. Als ich zu einem Tisch geführt wurde, kam ich an dem Phillip Ashers vorüber.
»Professor Asher«, sagte ich angemessen überrascht (wie ich hoffte). »Guten Morgen.«
»Van Tassel.« Asher hielt die weiße Serviette auf seinem Schoß fest, als er aufstand. Er schien einen Moment außer Fassung, als fühlte er sich überrumpelt.
»Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt in Thrupp«, sagte ich.
»Absolut.«
»Das war ein recht netter Abend gestern.«
»Ja. Ja, gewiß.« Er wischte sich mit der Serviette etwas Ei vom Schnurrbart.
»Bitte, lassen Sie sich nicht stören«, sagte ich mit einer Handbewegung zu seinem Teller.
Asher schwieg, als erwöge er verschiedene Erwiderungen, und es bereitete mir Genugtuung zu sehen, daß der Mann vielleicht doch nicht so schlagfertig war, wie ich anfangs geglaubt hatte.
»Frühstücken Sie auch hier?« fragte er schließlich.
»Das tue ich regelmäßig – ein-, zweimal die Woche«, log ich und setzte mit Verschwörermiene hinzu: »Unsere Köchin macht manchmal eine grauenvolle Hafergrütze, die ich beim besten Willen nicht hinunterbringe.« Ich warf einen unmißverständlichen Blick auf den freien Stuhl an seinem Tisch.
»Wollen Sie sich nicht zu mir setzen?« fragte Asher.
Ohne ihm zu der Bemerkung Zeit zu lassen, daß er mit seinem Frühstück beinahe fertig sei, nahm ich sein Angebot an, das sicher nicht ganz aufrichtig war. (Wie hätte es das auch sein sollen? Ich hatte mich ihm ja aufgedrängt.)
»Mit Vergnügen«, sagte ich. Dem Kellner, der gewartet hatte, um mich zu meinem Tisch zu bringen, bedeutete ich zu gehen. »Ich würde mich gern mit Ihnen über die Vorlesungsreihe
Weitere Kostenlose Bücher