Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
dem Heim gegenüber an der Straße ab. In der Auffahrt standen schon drei Automobile, darunter unser Cadillac-Coupé. Eine Hand am Hut, um dem Novemberwind zu trotzen, überquerte ich die Straße, öffnete das Eisentor und betrat die Steinplatten des Gartenwegs, als Etna eine der beiden Haustüren öffnete.
Sie bemerkte mich nicht gleich, da sie noch mit jemandem drinnen im Haus sprach. Sie trug ihren Wollmantel mit dem Fuchskragen und ihren Autohut, und in der Hand hatte sie eine kleine Reisetasche, in der sie häufig verschiedene Dinge ins Baker-Haus mitnahm (Kleidungsstücke, die unseren Kindern zu klein geworden waren, oder Nahrungsmittel, die wir nicht verbraucht hatten).
»Etna!« rief ich.
Sie fuhr ein wenig zusammen und drehte sich im selben Moment herum. Ich kann in der Beschreibung ihrer Überraschung nicht übertreiben: Es war das Schaudern plötzlichen Erschreckens. Ihr Mund öffnete sich, und ihre Augen weiteten sich (warum tut der Körper das? fragte ich mich; daß er noch mehr von dem in sich aufnimmt, was erschreckt?), und ihre Schultern zuckten zurück, wenn auch kaum merklich. Ich sah einen Moment lang ihre Lippen beben, dann preßte sie sie aufeinander und versuchte zu lächeln.
Das alles spielte sich mit der Schnelligkeit eines Wimpernschlags ab.
»Nicholas«, war alles, was sie hervorbrachte.
»Liebes«, sagte ich. »Ich habe dich erschreckt.«
»Ja, das hast du«, bestätigte sie. »Was tust du denn hier?«
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Es tut mir leid. Ich wollte mich nur vergewissern, daß es dir gutgeht. Du hast heute morgen ein wenig wacklig gewirkt.«
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Der Schock war überstanden, und sie schien ruhig. »Ich wollte gerade nach Hause«, sagte sie.
»So früh?«
»Du hast es ja selbst gesagt, ich bin noch nicht wieder die alte.«
»Verständlicherweise. Es ist ein Wunder, daß du es überhaupt geschafft hast herzukommen.«
»Es hat mir gutgetan.« Sie zog den Pelzkragen ihres Mantels unter dem Kinn zusammen.
»Tja«, sagte ich, »jetzt stehen wir mit zwei Autos da.«
»Mit was für einem bist du gekommen?«
»Mit dem von Gerard Moxon.«
Sie musterte den Stevens-Duryea auf der anderen Straßenseite. »Du haßt doch das Autofahren«, sagte sie.
»Eigentlich war es ganz lustig«, erwiderte ich.
»Tatsächlich?«
Etna zog immer gern die Krempe ihres Huts herunter, um ihre Augen zu verbergen – eine recht häufig zu beobachtende weibliche Angewohnheit. Ein Mann muß dem Gegenüber ins Auge sehen, wenn er nicht als ein zwielichtiger Bursche dastehen will; einer Frau hingegen ist ein züchtiger Blick zur Seite oder zu Boden immer erlaubt.
»Willst du hinter mir herfahren?« fragte ich. »Oder soll ich dir folgen?«
»Wie dumm!« sagte sie unvermittelt, als sie von der Veranda herabstieg.
»Ja, natürlich, aber so schlimm ist es auch wieder nicht, hm?«
Sie berührte meinen Arm. »Es war sehr lieb von dir, herzukommen und nach mir zu sehen.«
»Das war doch selbstverständlich«, sagte ich. »Ach, Etna?«
»Ja?«
»Ich würde gern Phillip Asher zu uns zum Essen einladen.«
Etna blieb stehen. »Zu uns nach Hause?«
»Äh … ja.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht …«
»Es ist noch zu früh«, sagte ich hastig.
»Ja«, stimmte sie mit offenkundiger Erleichterung zu.
»Dann lade ich ihn einfach zu einem Drink ein – zu einem Brandy und einer Zigarre.«
Etna schwieg.
»Du brauchst dich um nichts zu kümmern«, fuhr ich fort. »Du brauchst nicht einmal herunterzukommen.«
Sie sah zu dem Cadillac hinüber. »Wenn du meinst«, sagte sie. Dann wandte sie sich mir wieder zu. »Was, um Himmels willen, hast du da eigentlich an?«
Ich sah an dem Skunkpelz hinunter, der weiß Gott nicht schön war, wenn auch herrlich warm. »Der gehört auch Moxon.«
Etna lächelte.
»Ich muß den Mann näher kennenlernen«, sagte ich.
»Moxon?« fragte sie.
Ich nahm ihr die Tasche ab und trug sie zu ihrem Wagen, wo ich sie auf die Kokosmatte auf dem Boden stellte. Dann schlug ich die Tür zu und sah meine Frau über die Motorhaube des Wagens hinweg an. Die Bänder ihres Huts, noch nicht zur Schleife gebunden, flatterten im Wind.
»Asher«, sagte ich.
Am folgenden Morgen sandte ich Asher einen Brief ins Hotel und lud ihn für den Abend zu einem Drink in unser Haus ein. Ich hieß Mary in der Bibliothek ein Tablett richten. Der Raum war klein, aber es gab dort zwei bequeme Clubsessel, die ihm ein männliches Flair
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