Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
begreifen. Aber bei einer Frau! Unvorstellbar!
»Es geht hier nicht um Logik, Nicholas.«
»Du hattest vor mir einen Liebhaber!« rief ich heftig, nicht länger fähig, diesen Vorwurf für mich zu behalten.
In der Stille konnte ich über uns Gänse schreien hören. Das Brummen eines Autos auf der Straße. Etnas Blick glitt von mir weg. Sie tat einen tiefen Atemzug, in dem vielleicht ein schwaches Schaudern lag.
»Wer war es?« fragte ich und wappnete mich innerlich.
Sie lehnte sich an das Spülbecken. »Das ist doch unwichtig«, sagte sie.
»Ich verlange es zu wissen«, sagte ich mit der ganzen vermeintlichen Autorität des Ehemanns.
Sie wandte sich ab und sah zu dem kleinen Fenster über dem Spülbecken hinaus. »Und ich werde es dir nicht sagen«, gab sie zurück.
Wieder schweifte mein Blick durch das Zimmer, glitt über die nun bekannten Dinge: den Kuchenkasten aus Blech, den gotischen Fensterrahmen, den Leuchter. Ich breitete weit die Arme aus. »Warum?« fragte ich.
Sie drehte sich wieder zu mir herum. »Das ist etwas Eigenes, Nicholas. Etwas Separates. Es hat nichts mit dir zu tun.«
»In einer Ehe kann es keine Trennung geben«, protestierte ich.
»Wenn du klug wärst«, sagte sie, »würdest du mit diesen Fragen aufhören.«
»Wir hatten eine Abmachung«, sagte ich.
»Ja. Und ich habe mich daran gehalten.«
Ich ließ mich schwer auf den Stuhl fallen, auf dem zuvor Etna gesessen hatte. Sie trat vom Spülbecken weg. »Hast du jetzt einen Liebhaber?« fragte ich.
»Nein.«
»Wozu sonst sollte eine Frau ein Haus brauchen, von dem ihr Mann nichts weiß?« fragte ich. »Alle werden so denken.«
»Kein Mensch wird irgend etwas denken, wenn niemand etwas erfährt.«
Ich stützte meine Arme auf den wackeligen Tisch. »Du erwartest von mir, daß ich deinen Betrug mitmache?«
Sie schien einen Moment zu überlegen. »Nein«, sagte sie schließlich. »Das tue ich nicht.«
Ich zeigte zum Herrenhaus hinüber und fragte: »Wer wohnt da?«
»Die Frau, die mir das Häuschen verkauft hat.«
»Ach, das ist nicht ihr Grund?«
»Die beiden Grundstücke sind durch die Auffahrt voneinander getrennt.«
Ich stand auf und trat ans Fenster. Von dort aus konnte ich sehen, was im Regen des Vortags nicht erkennbar gewesen war: Das kleine Haus war durch einen niedrigen Zaun abgegrenzt. »Wie hast du das hier gefunden?«
»Durch eine Annonce in der Zeitung.«
Ich ging zu einem Kleiderschrank aus Eiche neben der Haustür und öffnete ihn. Drinnen waren Kleider, ein Kittel und ein Gartenhut. Beim Anblick der Kleider und des Huts geriet ich außer mir. Ich fegte mit dem Arm quer durch den Schrank und riß die Kleider von den Bügeln. Ich schlug um mich wie ein Wilder. Dann stürmte ich zum Fenster und riß einen Vorhang herunter.
»Nicholas!« rief Etna.
Ich stieß einen Emaileimer mit getrockneten Hortensien um, daß die Blumen über den Boden rutschten. Ich zerrte ein kleines Bild vom Haken. Etna wich vor mir zurück, als ich ihr nahe kam.
»Nicholas! Hör auf!« schrie sie.
Hätte ich meine Frau geschlagen? Nein, ich glaube nicht. Ich wollte nur dieses Zimmer zerstören. Ich riß einen Küchenschrank auf, packte einen Teller und schleuderte ihn an die Wand. Etna stieß einen Schrei aus, und ich drehte mich zu ihr. In ihrem Gesicht stand ein Ausdruck solchen Entsetzens, daß ich schlagartig zur Besinnung kam. Ich stolperte durch das Zimmer zum Sofa und ließ mich darauf niederfallen, erstaunt, daß es mein Gewicht aushielt.
Ich stützte den Kopf in die Hände.
Ich war mit einem Haus betrogen worden.
»Ich bekomme den Posten nicht«, sagte ich.
»Unsinn«, entgegnete Etna.
»Es wurde mir bereits mitgeteilt.«
»Wann?«
»Heute morgen. Von Edward Ferald.«
»Nicholas.« Sie kam auf mich zu.
»Nicht!« sagte ich, abwehrend eine Hand hebend. Ich wollte ihr Mitgefühl nicht. Ihre Kälte konnte ich gerade noch ertragen. Aber ihr Mitleid? Nie wieder, schwor ich mir. Nie wieder.
Etna blieb stehen und verschränkte die Arme über der Brust. »Es tut mir so leid.«
»Sag mir, daß dein Liebhaber nicht Phillip Asher war.«
»Nein, er war es nicht.«
»Aber du kennst ihn von früher?«
»Nur ganz oberflächlich. Das habe ich dir doch gesagt.«
Ich beugte mich vor. »Dann war es sein Bruder. Samuel. Er war dein Liebhaber.«
Etna schloß einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah ich, daß sie weinte.
»Wußtest du, daß Phillip Asher nach Thrupp kommen würde?« fragte ich.
Sie schüttelte den
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