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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Kopf. »Ich hatte keine Ahnung, bis ich auf dem Empfang seinen Namen hörte.«
    »Auf Feralds Empfang.«
    »Ja.«
    »Deshalb ist dir das Champagnerglas aus der Hand gefallen.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Deshalb hast du dich so zurückgezogen. Nicht aus Kummer um William; aus Kummer um einen anderen.«
    »Das ist ein unerhörter Vorwurf«, sagte sie.
    »Du hast mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geheiratet«, sagte ich.
    Etna zog eine Nadel aus ihrem Haar. Sie tat das manchmal in Augenblicken seelischer Not. »Das ist nicht wahr«, widersprach sie. »Du hast mich nie nach meinem früheren Leben gefragt.«
    »Es versteht sich von selbst, daß man so etwas vor der Eheschließung klärt«, sagte ich, abgelenkt vom Anblick ihres nußbraunen Haars, das aus dem gelösten Knoten über ihre Schultern herabfiel.
    »Hast du vor mir keine Geliebten gehabt?« Sie schüttelte ihr Haar aus.
    »Sei nicht albern, Etna. Darum geht es doch wahrhaftig nicht.«
    »Doch, genau darum geht es«, entgegnete sie. »Du hast deine Freiheit gehabt.«
    »Ich will überhaupt keine Freiheit«, schrie ich, durchaus der Wahrheit gemäß. »Seit dem Tag, an dem ich dir begegnet bin, nicht mehr.«
    »Aber ich will meine Freiheit.«
    In panischer Unschlüssigkeit stand ich auf. »Wohin führt die?« fragte ich, auf eine schmale Stiege weisend.
    »In eine Mansarde«, antwortete sie, als ich mich schon an ihr vorbeidrängte. »Aber dort oben ist nichts.«
    Die Treppe war so steil, daß ich mich mit den Händen abstützen mußte. Oben angekommen, schaute ich mich um: eine Mansarde mit schrägen Wänden, in der ich nur direkt unter dem First aufrecht stehen konnte. Die Fenster an beiden Seiten hatten Vorhänge, sonst aber war der Raum karg eingerichtet: eine weiße Bettstatt mit Matratze, ein Nähmaschinenschrank und, am Fußende des Eisenbetts, eine Zedernholztruhe. Ich öffnete sie und sah eine gefaltete Steppdecke. Ich kannte sie, sie hatte einmal auf unserem Ehebett gelegen.
    Ich sank auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Nach einiger Zeit stieg ich die Treppe wieder hinunter. Etna stand immer noch beim Spülbecken.
    »Ich nehme an, du weißt, daß Phillip Asher Jude ist«, sagte ich.
    Sie starrte mich an. »Ja, natürlich«, sagte sie nach einem kurzen Schweigen.
    »Du hast dir einen Juden zum Liebhaber genommen?«
    Ihr Mund öffnete und schloß sich. »Das ist unter deinem Niveau, Nicholas«, sagte sie.
    »Ich bin erstaunt, Etna. Ich hätte nicht geglaubt, daß du zu so etwas fähig bist.«
    Jetzt war sie zornig. »Wie kommst du dazu zu glauben, ich könnte nicht mit Herz und Verstand einen Juden akzeptieren?« rief sie. »Und ihn lieben?«
    »Das Herz mag lieben, der Verstand tut es nicht«, entgegnete ich hilflos. »Das Herz hat keinen Verstand, und der Verstand hat kein Herz. Es sind zwei verschiedene Organe, die häufig miteinander im Streit liegen.«
    »Du bist ja verrückt«, sagte sie. » Deinem Verstand fehlt ganz offensichtlich etwas.«
    »Meinem Herzen fehlt etwas, und ich meine das in einem ganz anderen Sinn. Du wußtest, daß Phillip Asher Jude ist, und hast nichts gesagt, obwohl es für meine Kandidatur von Vorteil gewesen wäre?« fragte ich.
    »Hör auf!« schrie sie. »Du bist ein Narr, Nicholas.«
    »Das ist ein Grund zur Scheidung«, sagte ich.
    Es wurde totenstill im Zimmer.
    »Du würdest dich nie von mir scheiden lassen«, sagte Etna.
    »O doch«, sagte ich.
    (Aber warum sagte ich so etwas? Ich wollte keine Scheidung. Ganz im Gegenteil, es war das letzte, was ich wollte.)
    »Du bist unbesonnen«, sagte Etna, und ich sah, daß ihre Hände zitterten.
    » Du bist unbesonnen gewesen.«
    Sie wich einen Schritt zurück und sank in den Chinagrassessel, als ihre Beine ihr den Dienst versagten.
    »Du kommst seit elf Monaten heimlich hierher«, sagte ich. » Das war unbesonnen. Du hast deinen Mann belogen. Das war unbesonnen.«
    Etna schüttelte den Kopf.
    »Eine Scheidung ist etwas sehr Unerfreuliches«, sagte ich und bückte mich, um meinen Hut vom Boden aufzuheben.
    Etna gab einen Laut von sich, ich weiß nicht, ob es ein Protest war, denn ich hatte schon die Tür geöffnet und eilte durch die Kälte die Auffahrt hinunter. Wie ein Blinder sich den Weg zu einem Haus sucht, das er am liebsten nicht betreten würde, kehrte ich zum Auto zurück. Ich öffnete die Tür und setzte mich in den Wagen. Ich packte das Lenkrad und hätte es aus seiner Verankerung gerissen, wenn ich die Kraft dazu besessen hätte. Ich warf mich

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