Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
Vom Netzwerk:
wie der letzte Trollo aussehen willst.«
    Torsten, der neben mir steht, räuspert sich.
    »Ach, hast du das gehört?«, sagt Ellen und grinst ihn an. »Ich hab ganz vergessen, dass du noch da bist.«
    Siri lacht und Torsten verdreht die Augen. Und ich denke, wird schon werden, alles wird gut.
    * * *
    Ich fotografiere mich im Spiegel auf der Toilette und schicke das Bild an Fanny. Schreibe dazu: Tagesoutfit: mit Schürze! Sie antwortet nicht.
    * * *
    »Siehst du den Alten da drüben in der Ecke?«, fragt Siri etwas später. »Das ist Paul, einer unserer Stammgäste. Er kommt fast jeden Vormittag und bestellt Kaffee und ein Käsebrötchen. Er will den Kaffee immer in der gleichen Tasse, die mit den grünen Blättern, die er jetzt auch hat. Wenn sie nicht im Regal steht, muss man sie aus der Spülmaschine holen, sonst wird er unangenehm. Genau solche Tassen hat er sich gekauft, als er vor sechzig Jahren zu Hause ausgezogen ist. Und er ist fest davon überzeugt, dass der Kaffee aus denen am besten schmeckt.«
    »Schräg«, sage ich und nehme den Notizblock, den ich bekommen habe. Ich schreibe: Paul – kauzig. Will unbedingt die Tasse mit den grünen Blättern. Falls nötig, in Spülmaschine suchen.
    Siri lacht.
    »Das ist noch gar nichts«, sagt sie. »Einige der anderen Stammgäste sind noch viel kauziger als Paul. Paul ist eigentlich ganz süß.«
    Ich sehe Paul kritisch an. Ich hab eindeutig schon süßere Greise gesehen.
    »Und was haben die anderen Stammgäste für Macken?«, frage ich.
    Siri setzt sich auf die Bank hinter dem Tresen.
    »Tja«, sagt sie. »Die Verrückteste ist wohl die Frau mit dem im halben Gesicht verschmierten Lippenstift, die ab und zu hier reinkommt und rumschreit. Ich nehme an, sie kommt aus einem Pflegeheim in der Gegend und taucht hier auf, wenn sie mal wieder ausgerissen ist. Sie ist nicht gefährlich oder so, aber sehr seltsam. Kauft nie was, schreit eine Weile rum und geht dann wieder.«
    »Interessant«, sage ich und schreibe: Schreitante = ungefährlich.
    »Und dann haben wir noch den Einsamen. Er ist um die fünfzig und trägt immer beige Hose, hellblaues Hemd und Aktentasche. Er kommt in der Mittagszeit, kauft sich einen Pie, setzt sich an einen der Tische in der Mitte und isst extrem langsam. Er spricht nie mit jemandem. Nicht einmal mit uns. Meist zeigt er nur auf das, was er haben will, und murmelt irgendwas Unverständliches dazu. Ellen hat die Vermutung, dass er mit einer Frau verheiratet war, die ihm das Essen gemacht hat, und jetzt hat die Frau die Schnauze voll und hat ihn rausgeworfen. Und weil er nicht mal weiß, wie man ein einfaches Omelett macht, kommt er jeden Tag hierher und isst Pie.«
    »Tragisch!«
    »Weißt du, wie man Omelett macht?«
    »Nein, keine Ahnung«, sage ich. »Aber ich kann gut Spaghetti mit Ketchup!«
    Siri lacht.
    »Probier es zur Abwechslung mal mit Pesto«, sagt sie. »Das ist die einfachste Weise, Spaghetti auf eine ganz neue Genussebene zu heben.«
    Ich schreibe brav Pesto probieren auf meinen Block.
    »Was kommen hier sonst noch für Freaks her?«, frage ich.
    »Nicht sehr viele«, sagt Siri. »Außer den Prettopoeten, natürlich!«
    »Prettopoeten?«
    »Du weißt schon. Ästheten vom Gymnasium, die sich merkwürdig kleiden und nur im Pulk unterwegs sind. Sie hocken stundenlang hier rum und bringen ihre eigenen Teebeutel mit, weil sie so arm sind. Sie nehmen sich selber unerträglich ernst und schreiben Gedichte auf Servietten, um zu zeigen, wie fürchterlich inspiriert sie sind.«
    Siri starrt plötzlich wieder auf meine Schleife.
    »Oh nein«, sagt sie erschrocken. »Du bist doch nicht etwa auch Prettopoet?«
    Ich schüttele eilig den Kopf, was Siri aber offensichtlich nicht wirklich überzeugt.
    »Sicher?«, fragt sie skeptisch. »Du siehst ein bisschen aus wie eine von denen.«
    »Ganz sicher«, sage ich. »Ehemaliger naturwissenschaftlicher Zweig.«
    Siri mustert mich von Kopf bis Fuß.
    »Ehemalig?«, fragt sie schließlich.
    »Ehemalig«, antworte ich. »Ich hab die Schule geschmissen.«
    Siri reißt die Augen auf.
    »Du hast die Schule geschmissen?«, sagt sie und lacht so sympathisch, dass ich sie am liebsten dafür küssen würde. »Respekt.«
    * * *
    Um drei Uhr sind etliche Seiten meines Notizblocks mit unzusammenhängenden Kommentaren vollgekritzelt. Ich bezweifele, dass ich irgendwas verstehe, wenn ich sie mir später noch mal vornehme. Immer 00 drücken, Gummihandschuhe in der Schublade, Salat bestellen!!! Etwas diffus, das Ganze.

Weitere Kostenlose Bücher