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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Bjaerbo
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freut, wenn ich bei Oma wohne, damit ich aufpassen kann, dass sie nicht noch mal stürzt. Genau das hast du gesagt!«
    Mama kommt zu mir und versucht, mich in den Arm zu nehmen, aber ich lasse sie nicht an mich ran. Bin steif wie ein Stock. Finde sie zum Kotzen. Ich lasse mich nicht von Menschen umarmen, die ich zum Kotzen finde.
    »Tut mir leid«, sagt sie nach einer Weile.
    Genau.
    »Ich hätte das nicht so sagen dürfen. Ich meinte damit auch überhaupt nicht, dass du die Verantwortung übernehmen sollst, dass es Oma wieder besser geht, Alicia. Ich meinte nur, dass es ein gutes Gefühl ist, sie nicht die ganze Zeit alleine in ihrer Wohnung zu wissen.«
    Mama streichelt hilflos meine Schulter.
    »Und noch wissen wir ja gar nicht, wie es ihr gehen wird«, fährt sie fort. »Wir wissen gar nichts! Aber wenn sie Hilfe braucht, werden wir natürlich was organisieren.«
    Ich sehe sie misstrauisch an.
    »Indem ihr mich darum bittet?«, frage ich.
    »Indem wir jemand anderen damit beauftragen«, sagt Mama. »Der so was beruflich macht.«
    Ich beiße in den Apfel und atme erleichtert auf.
    »Ich muss ihr also nicht den Hintern abwischen?«
    »Wer hat gesagt, dass du ihr den Hintern …«, setzt Mama an, bringt den Satz aber nicht zu Ende. »Nein«, sagt sie stattdessen. »Du musst keinen Hintern abwischen.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    * * *
    »Du Dummerchen! Das würde ich doch niemals von dir verlangen.«
    Oma schlägt mit dem Kreuzworträtselheft nach mir.
    »Den ganzen Tag bei mir sitzen und auf eine alte Frau aufpassen. Dafür hast du doch überhaupt keine Zeit! Du musst Großtaten vollbringen. War es nicht so?«
    Ich lächele.
    »Doch«, sage ich. »So ist es.«
    Ich finde es wunderbar, dass Oma und ich uns in den wichtigen Dingen des Lebens so einig sind. Wie zum Beispiel, dass ich meine Zeit nicht mit dem Hinternabwischen anderer Menschen verplempern soll.
    Ich habe die übrig gebliebenen Hefeteilchen aus dem Café mitgenommen und Oma ein luxuriöses Kaffeetablett ans Krankenbett gebracht. Ich rieche nach altem Kaffee und wahrscheinlich auch ein bisschen nach Schweiß, weil ich direkt von der Arbeit komme, aber das ist es wert. Ich wollte hier sein, ehe der Rest der Familie einfällt, um sie einen Moment für mich zu haben.
    Es tut gut, sie einigermaßen auf dem Damm zu sehen. Sie ist nicht mehr so blass und müde, fast wieder wie gewohnt. Bis auf die Krankenhausklamotten. Und ihr Bein funktioniert noch nicht, wie es sollte.
    »Aber heute bin ich sogar schon mal aufgestanden«, sagt sie. »Und ein paar Schritte gegangen!«
    Sie klingt wahnsinnig stolz, also sehe ich auch ganz schnell schrecklich stolz aus.
    »Ein paar Schritte, echt?«, sage ich. »Wow!«
    Mal ganz ehrlich, nach Rocket Science hört sich das nicht gerade an. Wer ist heute nicht ein paar Schritte gelaufen? Meine Füße sind ganz wund nach all der Rennerei. Okay, Oma hat einen gebrochenen Oberschenkel. Da gönne ich ihr wohl noch eine Weile den Triumph, ehe ich ihr sage, dass sie jetzt gefälligst wieder die Alte werden soll.
    »Das hast du ganz schön gut gemacht«, sage ich.
    Oma nickt.
    »Sehr gut sogar. Der Arzt meinte, dass ich mich erstaunlich schnell erhole. Dafür, dass ich so alt und schwächlich bin.«
    »Hat er das gesagt? Dass du alt und schwächlich bist?«
    »So ungefähr.«
    »Soll ich zu ihm gehen und ihm auf die Zehen treten?«
    »Nein, das sollst du nicht.«
    Oma kichert, als hätte sie was eingeworfen.
    »Der Arzt ist ein ganz reizender junger Mann. Sehr nett. Und attraktiv.«
    »Attraktiv?«
    »Ja«, sagt sie und gluckst. »Attraktiv. In deiner Sprache sagt man wahrscheinlich total süß. «
    Okay, sie hat was eingeworfen.
    »Was geben die dir eigentlich hier für Pillen?«, frage ich.
    Oma lacht. Sie hätten ihr nichts Spezielles gegeben, sagt sie. Sie sei einfach nur besonders gut gelaunt. Ich bleibe skeptisch, sage aber nichts weiter. Es ist sehr unterhaltsam, sie so zu sehen. Alles, was ich ihr erzähle, wird mit munteren Zurufen, einem Strahlen und guter Laune kommentiert. I love it. Als der Rest der Familie eintrudelt, habe ich zwei Stunden auf ihrer Bettkante gesessen und über Isak, Fanny, die Arbeit und Gott und die Welt geplaudert. Ich bin fast heiser. Aber ich fühle mich glücklich.
    »Bis bald«, sage ich, als wir zusammen aufbrechen, und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
    In ihrem Mundwinkel klebt etwas Zimt von der Hefeschnecke.
    Sie duftet ein bisschen nach Weihnachten, denke ich.
    * * *
    Als ich fünf

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