Alles, was ist: Roman (German Edition)
Pub zurück und fuhren mit ein paar Leuten zur Dean Street in ein Restaurant, darunter eine ältere Frau mit einem fantastischen Gesicht wie eine Dörrpflaume und einer, wie sich herausstellte, äußerst tiefen Stimme. Bowman war sehr von ihr angetan. Sie sagte etwas auf Italienisch, das er nicht ganz hören konnte, aber sie weigerte sich, es zu wiederholen. Sie sei früher mit einem Italiener verheiratet gewesen, sagte sie.
»Er wurde nach dem Krieg erschossen.«
»Erschossen?«
»Aus Vergeltung«, sagte sie. »Er rechnete aber im Grunde damit. So etwas passierte häufig. Seine Schwester, meine Schwägerin, sie starb erst letztes Jahr, zeichnete sich dadurch aus, dass sie Winston Churchill auf der Piazza San Marco ins Gesicht gespuckt hat. Sie waren Faschisten, da war nichts zu machen. Mein Mann war aber sonst in jeder Hinsicht liebenswert. Es ist alles sehr lange her. Sie sind dafür noch zu jung.«
»Das stimmt nicht ganz.«
»Sie sind was, fünfunddreißig?«
»Ich bin fünfundvierzig.«
»Ich weiß noch, die französische Kolonialausstellung von 1932 oder 33«, sagte sie. »Die senegalesischen Truppen mit ihren blauen Uniformen und roten Hüten. Ohne Schuhe. Es war eine andere Welt. Wirklich vollkommen anders. Was ist denn mit Ihrem Leben?«
»Mein Leben?«
»Was war in Ihrem Leben wichtig?«
»Also«, sagte er. »Wenn ich es genau bedenke, was mein Leben am meisten beeinflusst hat, waren die Navy und der Krieg.«
»Ja. Bei Männern ist das wohl so.«
Er war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit gesagt hatte. Seine Gedanken waren einfach zurückgetrieben. Und von seinen Träumen war es der, der am beständigsten wiederkehrte.
Zwei Wochen später lief Moravin in Wimbledon, in Vorbereitung auf das Derby, und stürzte in der Kurve, ohne ersichtlichen Grund. Er hatte einen Wurzelbruch am vorderen Lauf, nichts Ernstes, und doch, in seinem Gipsverband schien er wie beschämt, als wüsste er, was man von ihm erwartet hatte. Enid streichelte seine Schultern, das glatte graue und weiße Fell. Seine kleinen Ohren waren zurückgelegt. Sein Blick war leer.
Der Knochen heilte jedoch nur langsam. Es war eine langwierige Geschichte. Als der Bruch endlich verheilt war, fuhr sie ihn besuchen. Aber etwas war nicht wiedergekehrt. Was immer es war, es war unsichtbar. Er stand da, elegant und schlank, fast genau wie die anderen, aber er lief nie wieder.
»Mir bricht es wirklich das Herz«, sagte sie.
»Ja. Er hätte beim Derby rennen können, aber dann hatte er diesen Sturz. Irgendetwas ist es immer. Wenn Sie jemanden hassen, schenken Sie ihm einen Greyhound.«
Enid hatte ihn zum Flughafen begleitet, etwas, was sie nie tat. Als sie dort standen und warteten, fühlte er ein Unbehagen. Es war nichts, was sie gesagt hatte, es war diese Stille. Es entglitt ihm, und er konnte nichts dagegen tun. Sie würden nicht heiraten. Sie war bereits verheiratet und ihrem Mann auf merkwürdige Weise verpflichtet – Bowman hatte nie herausgefunden, was es war. Sie hatte gesagt, dass sie in New York nicht leben könnte, ihr Leben sei in London. Er war nur eine Facette darin und wollte es so sehr bleiben.
»Vielleicht kann ich nächsten Monat wiederkommen«, hatte er gesagt.
»Das wäre schön.«
Sie verabschiedeten sich in der Haupthalle. Sie winkte ihm zum Abschied leicht mit den Fingern.
Er fühlte eine Leere, als er an Bord ging, und, noch bevor das Flugzeug abhob, eine immense Traurigkeit. Als würde er es zum letzten Mal verlassen, sah er England langsam unter sich verschwinden. Plötzlich vermisste er sie schrecklich. Er hätte auf die Knie gehen müssen.
In der mit Teppich ausgelegten Lobby des Plaza sah sich Bowman eines Winterabends einer etwas unförmigen Frau in einem blauen Kleid gegenüber. Es war Beverly, seine ehemalige Schwägerin, ihr Kinn war fast vollständig verschwunden.
»Wenn das nicht Mr New York ist«, sagte sie.
Bryan stand neben ihr. Bowman schüttelte ihm die Hand.
»Was macht ihr beiden in New York?«
»Also, ich muss mal kurz verschwinden«, antwortete Beverly. »Ich treff dich dann in der Bar, wo immer die auch sein mag«, sagte sie zu Bryan.
Bryan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Achte nicht auf sie«, sagte er, als sie gegangen war. »Wir wollen uns ein paar Shows ansehen. Und Bev wollte in der berühmten Oak Room Bar noch etwas trinken.«
»Die ist immer geradeaus. Du siehst gut aus.«
»Du auch.«
Es gab nicht viel zu sagen.
»Wie geht es so?«, sagte Bowman. »Wie geht es
Weitere Kostenlose Bücher