Alles, was ist: Roman (German Edition)
sicher?«
»Ja. Mir ist schon etwas wärmer.«
»Ich konnte es nicht glauben, als ich dich da draußen sah. Hattest du keine Angst?«
»Doch.«
»Warum hast du es dann getan?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich musste.«
Er lag im Bett, während sie duschte. Er hatte zwei weitere Kissen gekauft und lag ausgebreitet zwischen ihnen und wartete. Das Gefühl davor war mit nichts zu vergleichen. Er hörte, wie die Dusche abgestellt wurde, und schließlich kam sie heraus, das Haar flüchtig getrocknet, und zog den Bademantel aus und schlüpfte neben ihm ins Bett. Niemand wurde je mehr begehrt. Er zog sie zu sich, um sie ganz im Arm zu halten. Ihre Hand war zwischen seinen Beinen.
»Oh, l à l à «, flüsterte sie.
»So ist es.«
Er fühlte sich wie ein Gott. Sie fingen gerade erst an.
Er erwachte im frühen Licht. Es war seltsam ruhig, die Wellen hatten aufgehört zu brechen. Eine lange grüne Ader zog sich durch das Meer. Auf dem Fenster saß eine blasse Motte und wartete auf den Morgen.
»Christine«, sprach er leise in ihr Ohr. »Wach nicht auf. Kannst du es tun, während du schläfst?«
Danach lagen sie wie zergliedert. Ein Bein, darum eine weiße Pyjamahose, lag oben zwischen den Kissen neben ihrem Kopf. Sie strich über den nackten Fuß. Die Laken, von einer unglaublichen Weichheit, waren zur Seite getreten. Weit unten am Strand wehte ungesehen eine amerikanische Flagge an einem einzelnen, hohen Mast wie ein Zeichen von Anstand und Güte.
»So verliert man sein Herz«, sagte er.
»War es so bei dir?«
»Oh Gott, nein.«
Dann schwieg er.
»Es hat mich einfach gepackt«, sagte er. »Ich war wie geblendet. Ich wusste von rein gar nichts. Sie natürlich auch nicht. Das ist lange her. Dann haben wir uns scheiden lassen. Wir waren einfach zwei verschiedene Arten von Mensch. Sie hatte den Mut, es auszusprechen. Sie schrieb mir einen Brief.«
»So einfach war das?«
»Oh, damals nicht. Dinge sind nie so einfach, wenn sie passieren.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich habe wegen Sex geheiratet.«
»Ich hatte gehofft, dass ich dafür heirate.«
»Frauen sind sehr schwach.«
»Komisch, dass du das sagst. Ich hab das nie so empfunden.«
»Sie sind schwach. Ein Armband, ein Anhänger, ein Ring.«
»Du trägst deinen immer noch.«
»Ja, ist ein Erinnerungsstück«, sagte sie. »Ich würde ihn am liebsten abnehmen.«
»Lass mich«, sagte er, bewegte sich aber nicht.
»Du hast es auf jeden Fall verdient.«
Er wollte nichts mehr sagen, er wollte, dass es auf diesem Akkord verhallte. Dann sagte er:
»Ich war sehr beeindruckt, als du griechisch gesprochen hast. Er war auch beeindruckt.«
»So viel kann ich gar nicht.«
»Du schienst keine Probleme zu haben.«
»Mein Problem ist, dass ich eine Wohnung finden muss. Ich muss Geld verdienen und eine Wohnung finden.«
»Ich helfe dir.«
»Im Ernst?«
»Natürlich. Eine Frau wie du kann alles haben, was sie will.«
»Eine Frau wie ich«, sagte sie.
Ja, wie sie. Der Gedanke, mit ihr zu reisen, sie beide zusammen in Griechenland – er ignorierte die Tatsache, dass ihr Mann dort lebte –, das Griechenland, von dem sie ihm erzählt hatte. Er stellte es sich vor, Thessaloniki, Kythira, die schwarz gekleideten Frauen, die weißen Boote, die die Insel miteinander verbanden. Er war nie dort gewesen. Er hatte Der Koloss von Maroussi gelesen, kraftvoll und übertrieben, er hatte Homer gelesen, er hatte Antigone und Medea gesehen und sich der unglaublichen Stimme von Nana Mouskouri ergeben, die so voller Leben war. Er dachte – nicht an alle zusammen, aber irgendwie vereint – an Aleksei Paros, der mehr oder weniger verschwunden war, Maria Callas, die Reedereimagnaten, den weißen Wein, der nach Pinienharz schmeckte, die Ägäis, weiße Zähne und dunkles Haar. Es war alles ein strahlender Traum, Griechenland steckte einem im Blut, sie klagten an den Gräbern, sie wuschen die Körper der Toten. Aber es war nicht der Tod, der ihn anzog, es war das Gegenteil. Mit Christine wäre es unvorstellbar lebendig, unter der Sonne zu leben, auf dem Wasser, auf weinumrankten Terrassen, in den kargen Zimmern von Hotels. Sie würde die Zeitung straff schlagen und ihm auf Griechisch daraus vorlesen, vielleicht, er traute ihr alles zu. Er wollte wissen, was Morgen, Abend, Danke, Liebe auf Griechisch hieß. Er fragte auch nach ein paar schmutzigen griechischen Worten, die er ihr zuflüstern konnte. Nackt, so erinnerte er sich, war in jeder Sprache gleich, aber wahrscheinlich
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