Alles - worum es geht (German Edition)
die Projektoren nicht rechtzeitig anstelle. Bei manchen Dingen gibt es nur eins – jetzt oder nie.
An der Straßenecke schließe ich mein Rad an einen Laternenmast an und gehe das letzte Stück zu Fuß. Die anderen sind noch nicht da, und so gehe ich allein langsam den Weg zwischen der Hecke und dem Zaun hindurch, gebe mir Mühe, so zu wirken, als hätte ich in einem der Häuser etwas zu erledigen; als ginge ich ganz selbstverständlich da entlang.
Erst gibt es nichts weiter zu sehen. Außer mir ist niemand draußen, ich sehe nur die kahlen Bäume und Sträucher, an denen noch Schneereste hängen. Der Pfad führt am roten Backsteinhaus vorbei, entlang der Grenze zu den Nachbarhäusern, und mir wird klar, dass Leute so zum roten Haus kommen oder von dort weggehen können, ohne dass jemand das von der Straße auf der anderen Seite her mitbekommt. Ich bin ein Stück weitergegangen, an mehreren Häusern vorbei, doch jetzt kehre ich um, stelle mich hinter eine große Eiche und versuche zu sehen, was da hinter den Gardinen in dem schwach beleuchteten Haus vor sich geht. Aber ich kann absolut nichts erkennen. Ich bleibe noch eine Weile stehen, bis mir langsam kalt wird. Gerade will ich umkehren, als es mir so vorkommt, als bewegte sich eine schattenhafte Gestalt hinter der Gardine. Kurz darauf öffnet sich die Tür, und ein Mann kommt heraus. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, nur die rote Windjacke; die Kapuze ist über seinen Kopf gezogen. Obwohl ich mir einrede, dass er es unmöglich sein kann und auch nicht sein muss, nur weil die Jacke die gleiche ist, habe ich plötzlich ein Gefühl, als hätte mir jemand in den Bauch geboxt. Mir bleibt die Luft weg.
Erst folge ich der roten Windjacke, auch noch als der Mann um die Ecke verschwindet und in die Jackson Hill einbiegt. Er geht ein Stück die Straße entlang, bis zum Kaufmann, wo er sein Rad holt. Ich könnte mir selbst etwas vormachen, so wie ich es bei meiner Mutter tue, aber das geht nicht mehr. Dieses schwarze Rad kenne ich.
Also warte ich nicht länger, ich renne zurück zu meinem eigenen Rad, springe hinauf und radle, so schnell ich kann, über die Jackson Hill und die Chestnut Road nach Hause. Ich schaffe es gerade noch, meine Jacke aufzuhängen, mich zu vergewissern, dass Ivan und Irene immer noch mit Basteln beschäftigt sind, in einer völlig chaotischen Küche, was mir aber ausnahmsweise völlig egal ist, ich sage nur Bin wieder da , renne hinauf in mein Zimmer und drehe meine Musikanlage so laut auf, dass ich Vaters Schlüssel in der Haustür nicht hören kann. Erst will ich einfach so tun, als wäre alles wie immer, aber dann weiß ich, dass ich das nicht kann, also klebe ich einen Zettel an meine Zimmertür, Habe Kopfschmerzen , und verkrieche mich schnell ins Bett. Kurz darauf höre ich, wie die Tür aufgeht, und auch mit geschlossenen Augen weiß ich, dass mein Vater in der Tür steht und zu mir herüberschaut. Ich atme tief und regelmäßig, bewege mich aber sonst nicht, und bald höre ich, wie die Tür wieder geschlossen wird.
In dieser Nacht schlafe ich nicht. Stattdessen liege ich da und bedenke die positive und die negative Seite, rechne Plus und Minus, bevor ich einen Entschluss fasse. Es gibt praktisch nur eine einzige Lösung bei dieser Rechnung, egal, wie ich addiere oder subtrahiere.
Zuallererst ist alles nur eine Frage der Zeit. Meine Mutter kommt nicht mehr nach Hause, da bin ich mir sicher, egal was mein Vater sagt. Und wenn mein Vater gefasst wird, kommen wir ins Kinderheim oder in eine Pflegefamilie und werden getrennt, so wie meine Mutter und ihre Geschwister, als sie klein waren, und man sieht ja, wozu so etwas führt. Und selbst wenn ich Kevin und die anderen dazu kriege, unsere Rettungsmission Erloschene Sonnen einige Monate auszusetzen, würde es nicht lange dauern, bis Ahmed und Kevin und Louisa ihn gleichfalls entdecken. Und das wäre fast noch schlimmer. Ich weiß nicht, was mich dazu bringt, meinen Entschluss zu fassen – ob es damit zu tun hat, dass die drei mit drinstecken in der Sache und deshalb auch hinter alles kommen werden, oder damit, dass ich jedes Mal ein Ziehen im Kreuz spüre, wenn ich an die kleinen Japanerinnen in dem Haus mit dem gelben Licht denke. Oder auch damit, dass mir auf einmal einfällt, wie mein Vater Irene manchmal ansieht. Nein, ich weiß nur, dass ich auf meine Geschwister aufpassen muss, dass man uns nicht auseinanderreißt oder in Pflegefamilien steckt.
Die beiden dürfen nicht auch zu
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