Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles - worum es geht (German Edition)

Alles - worum es geht (German Edition)

Titel: Alles - worum es geht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
bestimmen.
    Um nicht wenden zu müssen, fährt das Taxi die gewundene Elm Street hinunter. Als wir an dem roten Backsteinhaus vorbeikommen, versuche ich, einen Blick durch die Gardinen zu werfen, aber wie meistens ist außer dem gedämpften mattgelben Licht nichts zu sehen. Oder hatte ich da eben eine schattenhafte Gestalt gesehen? Sah es für einen kurzen Moment so aus, als hätte die Gardine sich leicht gehoben und eines der Mädchen hätte das Gesicht an die Scheibe gepresst? Ich zwinkere ein paarmal und atme tief durch. Wir sind unterwegs.
    Ich hatte uns schon im Internet eingecheckt, und nachdem wir unser Gepäck aufgegeben haben, gelangen wir durch die Sicherheitskontrolle und bis zur Passkontrolle, bevor uns überhaupt jemand eine Frage stellt. Doch sobald ich den Brief und unsere Pässe vorzeige, ist der Beamte ganz freundlich und hilfsbereit und erklärt uns genau, wie wir zu unserem American-Airlines-Flug nach Mexiko City kommen.
    Im Flugzeug sitzen wir in einer Reihe nebeneinander, die Stewardessen schenken Ivan und Irene kleine Malbücher.
    Alles ist unglaublich normal.
    Und dann sind wir in Mexiko.
    Vor der Passkontrolle stehen die Menschen in einer langen Schlange an. Als wir endlich an der Reihe sind, stempelt der Grenzbeamte Visa für neunzig Tage in unsere Pässe, und ich tausche unser Geld in mexikanische Pesos um. Alles hier ist riesig, laut, voller Farben, und mit jedem Schritt, den wir machen, scheint es chaotischer. Aber noch sind die Schilder außer Spanisch auch Englisch, und so finden wir den Weg zum Flughafenbus, der uns zu einem der zentralen Terminals bringt, wo ich unsere Busfahrkarten für die Weiterreise kaufe.
    Die Zwillinge sind so müde, dass ihnen fast sofort die Augen zufallen, kaum dass der Bus sich in Bewegung setzt. Ich selbst kann nicht schlafen, obwohl ich das Gefühl habe, vor lauter Müdigkeit im Stehen schlafen zu können. Stattdessen sehe ich durchs Fenster, wie die Stadt im Dunkeln zu unbekannten Lichtlandschaften wird, die immer dichter werden, bis wir in dem Stadtteil ankommen, den ich für uns ausgesucht habe. Er liegt weit entfernt von allen Touristenattraktionen, und so gibt es da nur Häuser armer Menschen, Autowerkstätten und billige Pensionen. Hierher werden hoffentlich keine Amerikaner kommen, die uns wiedererkennen, wenn nach uns gefahndet wird. Ich habe auch immer darauf geachtet, den Zwillingen gegenüber keinen Straßennamen und auch nicht den Namen des Stadtteils zu erwähnen, damit sie sich nicht verplappern, falls später jemand Fragen stellen sollte.
    Wenn ich an Gott glaubte, würde ich ihm fürs Internet danken.
    Als wir aussteigen, sieht es überall unordentlich, schmutzig und ärmlich aus, auch rund um die Häuser hinter den grauen Betonmauern. Orangerotes Neonlicht blinkt unregelmäßig von kaputten Reklameschildern. Obwohl es schon spät ist, sind viele Menschen auf der Straße. Männer sitzen in Gruppen zusammen und trinken Bier. Frauen verkaufen Waren, die ich nicht erkennen kann. Alte Menschen und sogar Kinder betteln oder schlafen in Hauseingängen. Den Zwillingen sage ich, das sei nur wegen der Hitze.
    Wir versuchen, uns durchzufragen, aber ohne Erfolg: niemand spricht hier etwas anderes als Spanisch. Der Druck in meinem Kreuz nimmt auf einmal zu, und mir wird klar, dass die ganze Sache schwieriger wird, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir folgen der Wegbeschreibung, die ich mir notiert hatte, und finden so immerhin die Pension, die ein Backpacker im Internet empfohlen hatte, sie liegt wie beschrieben nur wenige Hundert Meter von der Bushaltestelle. Und zum Glück haben sie ein freies Zimmer, in dem neben einem Doppelbett sogar gerade noch Platz ist für ein Extrabett für mich.
    Wir müssen uns einschränken, wenigstens zu Anfang, um Geld zu sparen.
    Ivan und Irene sind so kaputt, dass sie gar nicht nach unserem Vater fragen oder danach, wie es nun weitergeht, und ich lasse sie ausnahmsweise Cola trinken und die letzten Reste unserer Tacos essen, die wir am Busbahnhof gekauft haben. Dann kriechen sie ohne Zähneputzen in das große Bett.
    Sie schlafen schnell ein, und ich gehe hinaus und tätige den Anruf.
    Ich versuche mir die erloschenen Sonnen vorzustellen mit ihrem eingeschlossenen Lachen, und ich bete zu dem Gott, an den ich nicht glaube, dass es keine Listen mit den Namen der Kunden gibt.
    Dann gehe ich wieder hinein, setze mich an den kleinen, wackligen Schreibtisch unter der nackten Glühbirne, die ihr grelles gelbes Licht in den

Weitere Kostenlose Bücher