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Alles - worum es geht (German Edition)

Alles - worum es geht (German Edition)

Titel: Alles - worum es geht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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sagt dasselbe:
    »Es gibt Menschen, die sind einfach Abschaum, die sind so abscheulich, dass sie nicht unter uns sein dürften. Menschen, für die es keine Hoffnung gibt. Die wissen, dass sie abscheuliche Taten begehen, und es trotzdem tun. Die lügen und betrügen und andere Menschen um das bringen, was ihnen gehört, und es sogar im Voraus wissen und alles geplant haben, und denen all das Böse, das sie tun, völlig egal ist. Solche Menschen sollen nicht unter uns anderen leben. Menschen, die Tiere sind. Menschen, die töten.
    Die Welt ist ein besserer Ort ohne ihn. Da sind wir sicher.«
    Und deshalb verstehe ich überhaupt nichts mehr, und keiner kann mir eine Antwort geben, kein Einziger. Der Gouverneur selbst hat noch nicht auf meinen Brief geantwortet, in dem ich frage, was denn der Unterschied sei? Der Unterschied zwischen dem, was der Staat tut, und dem, was ich getan habe?
    Sieben Jahre und sieben Minuten. Mehl und Margarine.
    Wir sind doch in allem einer Meinung, habe ich geschrieben. Und noch etwas glaube ich jetzt zu wissen:
    Wenn ich dann heute Abend nicht mehr hier bin, ist das nicht genau das, was Prämeditation bedeutet?

Die Vögel, die Blumen, die Bäume
    »Diese verdammten Vögel!«
    Das kann ich schon gut sagen, und noch eine Menge mehr. Aber die Vögel. Die fliegen einfach dort oben und kümmern sich nicht um mich und dass sie mir das erzählt haben. Die Vögel, die Blumen, die Bäume. Schon seltsam. Ich habe genauso viel Recht, hier zu sein, wie sie. Und zwar auf meine Weise. Ich bin auch hier geboren. Wieso soll das mit diesen Vögeln so wichtig sein? Die fliegen doch nur da oben rum. Klar ist das ein Vogel. Alle haben sie Flügel, zwei Beine und einen Schnabel. Und fliegen. Fliegen wie der Blütenstaub, der einem auch egal sein kann. Ein Stängel, Blätter, manchmal Dornen, verschiedene Farben. Die kenn ich: orange, gelb, rot, weiß, blau, hellblau und so weiter und so weiter. Und Schneeglöckchen, die kenne ich auch. Was mehr muss ich wissen?
    Entscheiden denn etwa die Vögel, ob man dänisch ist?
    Du Vögelchen am Himmel, wie dänisch bin ich, wie dänisch bin ich?
    Nein, oder?
    Wo soll das hinführen?
    »Das war eine Weißkehlammer!«, ruft mein Dänischlehrer empört. Als würde das alles noch schlimmer machen.
    Vögel begeben sich auf den Vogelzug und sind Fremde, im Sommer wie im Winter.
    Wissen die etwas über die Blumen, da, wo sie hinkommen? Die Bäume, auf deren Ästen sie sitzen? Die Insekten, die sie verschlucken? Aber sie sitzen dort. Sie fressen. Das ist kein Problem. Sie können signalisieren, der Baum ist hoch, der Baum ist niedrig, große Krone, kleine Krone, große Blätter, kleine Blätter, raue Äste, glatte Äste, dicker Stamm, dünner Stamm. Wenn sie überhaupt etwas signalisieren müssen. Denn ihre Augen erkennen sie wieder. Genau wie meine.
    Ich weiß, was für einer der Graublaue ist. Oder der Rotgescheckte. Ich habe solche schon mal gesehen und erkenne sie. Was bedeutet denn ein Name? Ja, das ist nicht einmal ein Name, sondern eine Bezeichnung. Wir hätten ebenso gut alles nach Farben klassifizieren können. Das ist viel leichter. Die Roten hier, die Gelben da und die Grauen dort. Ganz einfach.
    »Wenn ihr mit euren Eltern im Wald spazieren gegangen seid, damals, als ihr klein ward, haben die bestimmt auf einen Baum gedeutet, eine Blume oder einen Vogel und euch erzählt, was ihr gesehen habt …«
    Wir gingen nicht in den Wald. Aber sonntags zogen wir in den Tiergarten, den Dyrehaven. Jeden Sonntag, den ganzen Sommer lang. Meine Mutter packte die Körbe, die meine Schwestern und ich tragen mussten, und mein Vater trug die Klappstühle. Wir zogen nicht tagsüber los, um uns nackt ins Gras zu legen, wie das die Dänen machen. Wir zogen am späten Nachmittag los, um die Sonne hinter den Baumkronen verschwinden zu sehen, während wir Würstchen grillten und Almdudler tranken, zusammen mit der anderen Familie aus der Heimat meiner Mutter.
    Es wurde viel geredet und gelacht, und alle erinnerten sich an das Jahr, als der Wörthersee über die Ufer trat und die Kinder in die Schule gerudert werden mussten, und an die Jahre, in denen die Wasserrohre einfroren, sodass der Schnee in Töpfen geholt und geschmolzen werden musste, damit man Wasser zum Trinken und zum Waschen hatte. Alle erinnerten sich auch an Tante Gretchens unglückliche Liebe zum Schuhmacher, ganz zu schweigen von Onkel Heinrich, der als Zweiundsiebzigjähriger alles verließ, um eine Zweiundzwanzigjährige aus

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