Allie kommt gross raus Band 4
ausflippen, wenn Mrs Hunter das gleich vorlesen würde. Obwohl ich innerlich natürlich vor Freude vergehen würde.
Keiner mag schlechte Verlierer wie Cheyenne . Das ist eine Regel. Aber triumphierende Gewinner mag auch keiner . Das ist auch eine Regel.
Wenn man gewinnt, wäre es sehr ungezogen, wenn man zu wild jubelt und den anderen so Salz in die Wunden streut. Es ist wichtig, sich über einen Sieg bescheiden zu freuen. Man kann ja anschließend ganz für sich feiern so viel man will, solange die Verlierer einen nicht sehen können (das ist noch eine Regel).
»Allie Finkle …«, las Mrs Hunter vor.
Ich beugte mich ein wenig vor und versuchte mich zu beherrschen. Ich wollte nicht aufspringen oder aufs Pult klettern und einen Siegestanz hinlegen. Vielleicht könnte ich ein wenig die Faust recken. Nur ein bisschen. Also, ein bisschen jubeln war ja wohl erlaubt. Das hatte ich mir verdient. Ich hatte mir mit dem Vorsprechen so viel Mühe gegeben!
»… du bekommst die Rolle der bösen Königin«, sagte Mrs Hunter.
Jaa … Moment. Was? Was hatte sie da gerade gesagt?
»Super, Allie«, flüsterte Rosemarie mir zu. »Dann treten wir in ganz vielen Szenen gemeinsam auf!«
»Und die Rolle von Prinzessin Penelope«, schloss Mrs Hunter, »geht an Sophie Abramowitz.«
Sophie, die einige Reihen vor mir saß, gab einen leisen Kiekser von sich. Dann schlug sie die Hände vor den Mund und sagte: »Meine Güte! Oh … je! Ich? ICH?«
»Ja, Sophie, du«, sagte Mrs Hunter und lächelte sie an. »Hört zu, Kinder, wir haben nicht viel Zeit. Ich möchte, dass ihr heute noch anfangt, euren Text zu lernen. Spätestens Ende nächster Woche müsst ihr alles auswendig können. Und jetzt holt die Mathebücher raus und schlagt Seite 210 auf. Heute üben wir Bruchrechnen.«
Doch ich holte mein Mathebuch nicht heraus und ich schlug es auch nicht auf Seite 210 auf, denn ich konnte mich nicht rühren. Ich konnte es einfach nicht fassen! Ich hatte für die Rolle der Prinzessin Penelope vorgesprochen - und für dieses Vorsprechen sehr, sehr hart gearbeitet - und jetzt sollte ich die böse Stiefmutter der Prinzessin spielen? Wie konnte so etwas nur passieren?
Also … ich will ja niemanden beleidigen, aber beim Vorsprechen war ich die beste Prinzessin Penelope gewesen. Das ist keine Angabe, wenn ich das sage. Ich hatte mit einem echten Schauspielschüler (ehemalig, aber egal) geprobt. Ich hatte nicht übertrieben gespielt wie Cheyenne. Und ich hatte Mrs
Hunter mit meiner Vorstellung auch noch zum Lachen gebracht! Gut, eigentlich gab es nichts zu lachen. Trotzdem!
Ich weiß auch, dass Sophie mehr wie eine Prinzessin aussieht als ich. Ich bin keine klassische Schönheit, im Gegensatz zu ihr. Aber ich kann besser spielen als sie, das weiß ich genau. Das sage ich nicht aus lauter Gemeinheit, und ich würde es Sophie auch nie ins Gesicht sagen. Das ändert jedoch nichts daran, dass es stimmt.
Warum in aller Welt sollte Mrs Hunter - meine Mrs Hunter, die beste Lehrerin, die ich je hatte - mir die schlechteste Rolle in dem ganzen Stück geben? Die Rolle der bösen gemeinen Hexe, die das ganze Stück über versucht, nicht nur die hübsche Heldin zu töten, sondern auch alle anderen im Recycling-Reich? Eine Figur, die alles vermüllt? Eine Figur, die glaubt, globale Erwärmung wäre eine Lüge, obwohl 98 Prozent der Wissenschaftler davon überzeugt sind, und die nicht glaubt, dass es reicht, einen Stapel Zeitungen zu recyceln, der nur einen Meter hoch ist, um einen ganzen Baum zu retten? Die Figur, die keiner ausstehen kann? Warum? WARUM?
Es ergab alles keinen Sinn. Hatte ich etwas getan, das Mrs Hunter gegen mich aufgebracht hatte? Ich konnte mich an nichts erinnern, aber vielleicht war es aus Versehen geschehen? Vielleicht hatte ich sie in irgendeiner Hinsicht enttäuscht, woraufhin sie mir aus Rache oder um mir eine Lektion zu erteilen, diese schreckliche, scheußliche Rolle gegeben hatte?
Vielleicht … vielleicht war Mrs Hunter aber auch wütend
auf meine Mutter. Möglicherweise fand Mrs Hunter »Requiem für einen Schlafwandler« ganz wunderbar und war sauer, weil Mom den Film als moralinsauren Schund verrissen hatte. Aber nein … das konnte nicht sein. Sie hatte gesagt, der Auftritt meiner Mutter bei Good News wäre fantastisch gewesen. Das würde sie doch sicher nicht sagen, wenn sie nicht einer Meinung mit Mom wäre, oder?
Nein, es musste an mir liegen. Sie hatte etwas gegen mich.
Mir war zum Heulen. Nur wenige Augenblicke
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