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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Brücke geschwungen. Dort stieß der Polizeiwagen auch gerade rückwärts. Tochter und Mutter begegneten sich, Barbara kam herauf. Sie hatte einen kurzen, lockeren Schritt, flüssig und leicht. Ein Kribbeln explodierte in meinem Bauch.
    »Sie sperren die Balinger Straße«, teilte sie mit. »Und Maxi geht das Flügelhorn holen? Kannst du das spielen?«
    »Nein, aber Richard.«
    Ein halbes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Das sollte er allerdings können. Es hat ja mal ihm gehört. Martinus hat Vicky das Flügelhorn zur Konfirmation geschenkt. Bei ihm hätt es ja nur rumgelegen, hat er gemeint, und das sei schade drum.« Sie lachte düster. »Rocky …« Sie unterbrach sich. »Ich kann mich an Richard einfach nicht gewöhnen.« Sie blickte mich skeptisch an. »Du weißt, was mit ihm los war?« *
    Ich nickte.
    »Und wenn nicht, sollte ich es dir wohl auch nicht auf die Nase binden.« Sie lachte. »Man hat eigentlich gedacht, Rocky würde Musiker werden. Ich jedenfalls. Aber da habe ich mich gründlich geirrt. Wie in so vielem. Nach der Konfirmation musste er nach Stuttgart aufs Gymnasium, als ob es hier keins gegeben hätte. Und dann studiert er ausgerechnet Jura! Sein Vater war schon so ein Gerechter, da hätt’s das bei Rocky nicht unbedingt gebraucht, finde ich. Aber die Webers haben halt einen Hang zu in Stein gemeißelten Regeln. Wahrscheinlich brauchen sie das, weil sie sonst Massenmörder werden oder Sexorgien veranstalten würden.«
    Mir gebrach es momentan an Verstand, um gegenzuhalten.
    Es war ein hübsches Paar, das endlich über die Brücke kam. Richard und Maxi gingen Schulter an Schulter, der nicht sonderlich große, aber athletische Mann mit einer selbstsicheren Ruhe in den Bewegungen an der Seite des schlanken schwankenden Mädchens mit den wilden Haaren. Sie blickte bewundernd zu ihm hinüber. Er hielt die Trompete in den Händen.
    Meine Andacht dauerte nur kurz, denn Hundekrallen knallten auf Asphalt. Erst jetzt sah ich, dass Richard Cipión dabeihatte. Der trabte mit wippenden Schlappohren an seinen italienisch beschuhten Fersen.
    Jacky schrie: »Nein! Hier, Samanta!«
    Aber die Hündin galoppierte mit schwarzer Wucht an mir vorbei.
    Cipión erstarrte. Mir blieb das Herz stehen. Lauf doch!, dachte ich und wusste zugleich, dass das ein tödlicher Fehler gewesen wäre. Cipión war klüger. Er wurde dünn und steif und schaute angestrengt woandershin, während Samanta aus vollem Lauf bremste, sich über ihn hermachte und ihn mit steil gereckter Dominanzrute abschnüffelte.
    »Na«, schmunzelte Barbara. »So blöd ist er gar nicht.«
    Maxi lächelte erleichtert.
    Nur Richard sah so aus, als hätte es zum Kurzzeitherzstillstand keinen Anlass gegeben. Er war ein Mann. Entweder er merkte nicht, wenn neben ihm jemand in Not geriet. Oder er vertraute auf die Spielregeln.
    »Und nun?«, erkundigte er sich, während Cipión und ich wieder zu atmen wagten. »Was muss ich tun?«
    »Du musst das Bergecho spielen«, antwortete Jacky, die zu uns herabgekommen war und Richard überraschend kirre anlächelte. »Kannst du das?«
    Richard grub eine steile Falte zwischen seine Brauen und kramte in seinem gut aufgeräumten Elefantengedächtnis, sichtlich beflügelt vom Lächeln der Mädchen und den zwei Paar Knopfaugen, die zutraulich an ihm hingen. Dass Barbara ihn eher scheel anblickte, merkte er nicht. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt. Seine Unterarmmuskeln spielten unter der glatten Haut, als er die Finger auf die drei Ventile legte und das Instrument an die Lippen hob. Ein Ton hallte durch die Nacht. Er quietschte etwas. Richard setzte ab, leckte sich die Lippen und setzte das Flügelhorn erneut an. Keine Ahnung, ob es das Bergecho war, was er blies, aber es echote gewaltig in den Häusern.
    »Sie kommen«, flüsterte Maxi. »Sie kommen! Voll krass!«
    Ein leises Trappeln erfüllte die Luft. Die ersten Reihen setzten sich in Bewegung, angeführt von der Alphakuh Alice mit den großen Hörnern.
    Im nächsten Moment waren Jacky und ich allein. Ein undurchdringliches Gewoge kantiger Kruppen und gespitzter Hörner zog an uns vorbei, gemütlich wie nicht von dieser Welt.
    »Geh da rüber«, keifte Jacky mich mit ihrem Diskantcharme an. »Pass auf, dass die nicht in den Garten ausbrechen. Los, geh!«
    Wie? Ich schaute mich um. Welcher Garten? Die sinnliche Müdigkeit des Stadtlebens machte mich zum Tölpel. Meine Ohren waren schon lange außer Dienst gestellt, alle anderen Sensoren sowieso. Es war Sache einer

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