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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Erziehungsgrundsätzen an seinem einzigen Kind abgearbeitet. Disziplin, Pünktlichkeit, Aufrichtigkeit, Demut und so weiter. Rocky musste ein Pflicht- und Sündenbuch führen, das wurde jeden Abend abgehakt und die Buße für den andern Tag festgelegt. Nach dem Nachtgebet hat sich dann aber keiner mehr um das Kind gekümmert. Rocky ist aus dem Fenster gestiegen und zu uns auf den Zeitentalhof gekommen. Er hat Steinchen gegen mein Fenster geworfen, und dann sind wir losgezogen. Irgendwann hatte er dann auch die alte Armeepistole seines Vaters dabei, eine Parabellum 08. Damit haben wir Hasen und Rebhühner geschossen. Heilandsack, konnte Rocky schießen!«
    Das hatte er mir nie erzählt.
    »Sonst gab’s ja damals nichts auf dem Land. Keine Disko, kaum Fernsehen. Wir waren den ganzen Tag draußen. In den Sommerferien trafen wir uns nachmittags am Fluss. Damals hatte Martinus gerade viel zu tun in seiner Firma und weniger Zeit zum Erziehen. Er musste das Wirtschaftswunder mit aufbauen helfen. Rocky und ich bauten Dämme, fingen Krebse, tranken Blutsbruderschaft und schworen uns ein Leben lang Treue.«
    Das lose Ende enttäuschter Hoffnungen flatterte in der von Glühwürmchen wundersam durchlöcherten Nacht.
    »Irgendwann bekam Martinus Wind davon. Jemand im Dorf hatte ihm erzählt, dass er Rocky mit mir zusammen gesehen hatte, dem Heckenkind vom Zeitentalhof.«
    Ich gab ein fragendes Geräusch von mir und spürte, wie Barbara mich von der Seite musterte. »Rocky hat dir nie von mir erzählt, nicht wahr?« Sie schnaufte ein paar Schritte ab. Dann tauchte sie in die Annalen.
    Lotte und Anna waren die einzigen Töchter des Schreinermeisters Eckenfelder gewesen. Lotte, die jüngere der beiden, wollte höher hinaus und angelte sich den Fabrikantensohn Martinus Weber. Sie war eine schöne Frau, sanft und anlehnungsbedürftig, aber gänzlich unbegabt. Ideal für einen Tyrannen wie Martinus. Der war während des Kriegs irgendwo verschüttet worden, hatte sich vom Saulus zum Paulus gewandelt und war an die Heimatfront zurückgekehrt.
    Lottes Schwester Anna hatte andere Ziele. Sie wollte keinen Mann, sie wollte einen Hof. Doch ohne Mann kam eine Schreinermeisterstochter nicht zu einem Hof. Der, den Anna sich ausgeguckt hatte, der einzige Sohn auf dem Zeitentalhof, musste gleich nach der Hochzeit in den Krieg, und in der Hochzeitsnacht hatte er auch nichts zuwege gebracht. Nach vierzehn Tagen an der Ostfront war er tot. Seine Eltern überlebten den Krieg auch nur um wenige Monate. Seitdem regierte Anna den Hof.
    In den Hungerzeiten nach dem Krieg hatten Lotte und Martinus nichts gegen eine Bäuerin in der Verwandtschaft einzuwenden gehabt. Anna stieg allerdings mit einem französischen Besatzungssoldaten ins Bett. Das Ergebnis war Barbara. Von ihrem Vater wusste sie nicht viel mehr als seinen Vornamen, Rene. Ans Heiraten dachte Anna nicht. Sie hatte, was sie wollte: einen Hof, auf dem ihr niemand dreinschwätzen konnte, ihre Schweinemast und Milchwirtschaft, ihre Hühner und Gänse und eine Tochter. Das war nun allerdings ein Skandal in der Zeit der gebrochenen Väter auf der Suche nach dem verlorenen Patriarchat und der Frauen, die an den Herd zurückkehrten und mit Dr. Oetker Pudding kochten.
    In dem Maß, wie sich Martinus von seinem Verschüttungstrauma erholte, wuchs auch der Paulus in ihm. Er arbeitete an der Zeugung eines Nachkommen, am Aufstieg von Weber-Waagen zur Weltfirma mithüfe der Neigungsschaltwaage seines Vaters und an der christlichen Orientierung der Jugend. Die familiären Vertraulichkeiten zwischen Frommern und dem Lotterhof vom Zeitental wurden auf die hohen christlichen Feiertage reduziert. Denn eine allein stehende Frau mit drei Knechten, so was konnte nicht ohne Unmoral abgehen.
    »Aber wir hatten viel Spaß daheim«, sagte Barbara. »In der Schule war ich allerdings das Heckenkind vom Zeitentalhof. Im Schulbus wollte niemand neben mir sitzen. Zum Glück war da Rocky, auch so ein Außenseiter, mit dem sich niemand abgeben wollte. Wir hatten sieben tolle Jahre, die wir zusammen auf die Sichelschule in Balingen gingen. Rocky und Bullwinkle gegen den Rest der Welt.«
    Aus der Schwärze des Tals reckten sich vor uns Tannenspitzen in den Sternenhimmel. Ich ahnte die Gebäude des Hofs.
    »Dann ging er fort. Über dreißig Jahre habe ich ihn nicht gesehen und nichts von ihm gehört. Vor ein paar Jahren tauchte er dann plötzlich wieder hier auf.«
    Daran war ich nicht ganz unschuldig gewesen.
    »Meine Kinder

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