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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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krankes Tier auf der Weide stand.« Sie warf das Haar nach hinten.
    »Aber heute Abend kann er die Rinder definitiv nicht rausgelassen haben.«
    »Keine Ahnung. Ich mag das sowieso nicht, dass alle über alle anderen herziehen.«
    Der Felsen endete, die Straße schwenkte über die Eyach zwischen die Häuser eines alten Dorfkerns. Maxis Schritt stockte fast sofort. Schulter an Schulter drängte sich auf schmaler Dorfstraße ein knappes Dutzend gehörnter Tiere. Sie hatten gelocktes Haar auf den Nasen und Stirnen.
    »Hi«, gurrte Maxi. »Na, geht’s euch gut, ja? Keine Angst, wir tun euch nichts. Wir sind schon wieder weg.« Sie winkte dem glotzenden Vieh zu und ging ein paar Meter rückwärts, ehe sie den Tieren den Rücken zuwandte. »Das sind Jungbullen. Da kommen wir nicht durch. Wir müssen den Kopf der Herde finden. Ich schätze, sie sind zum Fürsten hoch und am Friedhof lang in den Altort, und jetzt stecken sie bei der Kirche und im Fronhof fest.«
    Also zurück, den ganzen Weg über die Brücke, am Felsen entlang, das Sträßchen hinauf, dann die ganze lange Hauptstraße entlang, die Richard und ich vor zwei Stunden im Auto gekommen waren. Maxi schlenkerte die Beine, ich keuchte hinterher und sagte fast gar nichts mehr. Das Gebrüll unzufriedener Kühe schwebte über den Dächern und kreiste um den Turm von St. Gallus. Wir steuerten den Altort über eine andere Brücke an.
    »Scheiße, der Papa!«
    Bei Barbara stand ein langer Mann, von dessen Gliedern ein Kordanzug herabhing. Doch was mir den Atem verschlug, war nicht Maxis Papa, sondern das Gewoge von Hörnern und braunweißen Leibern zwischen schmucken Dorfhäusern die ganze Straße hinauf.
    »Die müssen hier weg!«, sagte der Mann gerade mit einer leicht verwaschenen Artikulation.
    »Jürgen«, antwortete Barbara. »Spiel nicht den Dorfpolizisten. Das regeln wir schon.«
    »Wenn nur einer zuschaden kommt, dann war’s das mit deiner Herde, Barbara! Dann kann ich nichts mehr für dich tun.«
    »Was hast du denn je getan? Wir haben alle Auflagen erfüllt, wir haben Schlösser an allen Toren. Wenn du uns wirklich helfen willst, Jürgen, dann sorg dafür, dass deine Skatbrüder bei der Polizei den finden, der unsere Zäune durchschneidet.«
    Jürgen Binder strich sich über das graue Haar. Unter den buschigen Brauen glitzerte ein Paar dunkler Knopfaugen. Eindeutiger hatte sich kaum jemand als Vater dreier hübscher Töchter ausgewiesen.
    »Hallo, Papa!«, grüßte Maxi.
    Der Vater musterte sie missmutig. »Und du kommst jetzt mit mir nach Hause.«
    »Es sind doch Ferien, Papa!«, jaulte Maxi.
    »Du bist vierzehn Jahre alt und darfst …«
    »Jürgen!«, donnerte Barbara. »Deinen Familiensinn hättest du vorhin beweisen können, bei der Aussegnung. Aber anscheinend warst du bei der Buchvorstellung unabkömmlich.«
    »Martinus hätte es so gewollt. Du weißt, wie wichtig ihm das Buch war. Und als Dr. Zittel kam und uns berichtete, dass er Martinus eben gerade die Augen zugedrückt hatte, da war es wie eine Feier, ihm zu Ehren. Es waren alle da, die ihn gekannt haben. So, und nun schafft mir die Viecher von der Straße!«
    Sein Blick huschte finster über mich hinweg, dann warf er seine Glieder herum und zog von dannen mit dem gleichen langbeinigen Schritt, den Maxi vorgelegt hatte.
    Ein böser Schauer versickerte klebrig auf meinem Rücken.
    Die Rinder standen völlig ruhig, Schulter an Schulter eingepfercht zwischen den renovierten und verputzten Bauernhäusern um geparkte Autos herum. Ein Gelockter war in den vorderen Reihen nicht zu erkennen. Es waren Kühe. Die Reihe Hörner, Flözmäuler und vorgeklappter Ohren bildete eine exakte Kreislinie in drei Metern Abstand zu einem schwarzen Neufundländer, der mitten auf der frisch asphaltierten Straße stand und mit dem Schwanz wedelte. Hin und wieder fuhr eine Zunge ins eine oder andere Nasenloch und ein Schnauben ertönte. Eine Kuh hatte größere Hörner als die anderen. Jacky stand seitlich an einer blauen Mülltonne.
    »Und was haben sie für ein Problem?«, fragte ich.
    Barbara blickte mich an. »Alice schämt sich. Sie hat ihre Herde hierher geführt und weiß nun nicht mehr weiter. Von uns möchte sie sich nicht helfen lassen. Aber vielleicht lässt sie sich ja von Samanta helfen.«
    Ich begriff, dass Alice die Leitkuh war und Samanta die schwarze Hündin und dass Barbara, alias Bullwinkle, Tierseelen deutete.
    »Treiben kann man sie nicht. An den Flanken stehen die Stiere und hinten der stärkste.

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