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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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haut? Ist das dein Ernst?«
    In ihren grauen Augen zuckten Punkte wie Kaulquappen in einem Teich. Auf ihren Lippen spielte ein halbes Lächeln, so eine gewisse Lust zu neuen Ufern, ein Gemisch aus Verrat und Hoffnung.
    Ich schnippte die Kippe, die schon lange erkaltet zwischen meinem Daumen und Zeigefinger ausharrte, nach dem Hahn.
    Er flatterte kieksend davon. Okay! Dann sei es so. Martinus war an Altersschwäche verendet, der Tote in der Eyach war nicht Jannik Filser. Es war alles ganz anders. Zeit zu gehen.
    Ich nahm mir erneut mein Handy vor. »Was ist das eigentlich«, fiel mir dann doch noch ein, »mit diesen Mahnkärtchen. Maxi hat eines bekommen. Sie auch?«
    »Aber sicher. Dutzende. Komm mit!«
    Etwas kopflos folgte ich ihr durch die Küche über den Gang ins Büro.
    Es enthielt graue Aktenschränke und einen grauen Bürotisch mit Computer. Landwirtschaft war zur Hälfte Schreibkram. Neben der Tür stand außerdem ein grauer Gewehrschrank mit Doppelbart- und Nummernschloss.
    Barbara zog eine Schreibtischschublade auf und reichte mir von einem Stapel eine Postkarte, auf der quer über das Bild einer im Schlachthof aufgehängten halben Kuh stand: »Und ich sah das Weib trunken von dem Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu.«
    »Und der Engel sprach zu mir«, orakelte, nein offenbarte ich, »ich will dir sagen das Geheimnis des Weibes und des Tieres, das es trägt und hat sieben Häupter und zehn Hörner und wird fahren in die Verdammnis.«
    »Klingt ziemlich frauenfeindlich.«
    »Das ist die Hure Babylon, die Gesamtheit aller falschen Götter und Gedanken.«
    »Du meine Güte!« Barbara versuchte, der Apokalypse ein Lachen entgegenzusetzen. »So viel heiliger Zorn nur wegen eines albernen Vergehens gegen das Ladenschlussgesetz.«
    »Wie bitte? Was sagst du da?« Ich registrierte am Rande, dass es mir endlich gelungen war, sie zu duzen. »Dann ist Martinus der Absender dieser Kärtchen … gewesen?«
    »Ja. Ich habe ihn mal gesehen, wie er sie einwirft. Vor Jahren schon.«
    »Warum hat er euch so gehasst?«
    »Martinus Weber hat niemanden gehasst, Lisa. Er war ein Missionar. Wie heißt das in der Bibel mit dem Sündenpfuhl?«
    »Erstes Buch Mose, Sodom und Gomorra. Gott schickt zwei Engel zu Lot. Die Einwohner von Sodom fordern ihre Herausgabe, um sie zu vögeln. Lot ist ein gottesfürchtiger Mann, die Gastfreundschaft ist ihm heilig. Nicht so die Selbstbestimmung seiner Töchter. Er bietet sie den geilen Sodomitern an, damit sie seine Gäste in Ruhe lassen. Zum Glück für die Töchter lehnen die Sodomiter das ab. Zum Lohn entgeht Lot der Vernichtung seiner Stadt.«
    Barbara schüttelte den Kopf. »Und dieser Bibel verdanken wir unsere Kultur? Übrigens, wenn du immer noch die Telefonnummer der Taxizentrale brauchst …« Sie nahm das Telefonbuch vom Schreibtisch.
    »Barbara. Warum hast du gestern Abend Lotte angerufen? Genau zum richtigen Zeitpunkt.«
    Sie senkte das Kinn. »Es lässt dir keine Ruhe, hm? Wovor hast du solche Angst, Lisa? Dass ich eine Mörderin sein könnte?«
    Ich fand keine zivile Antwort. Barbara war, wie sie so vor mir stand, deutlich kleiner als ich; die Nachkriegsgeneration eben, die in den frühen Kinderjahren noch gehungert haben mochte, zumindest aber ohne vitaminoptimierte Hipp-Breie, mineralienreiche Fruchtzwerge und hochenergetische Pommes und Hamburger aufgewachsen war. Und ich wollte sie haben.
    Doch sie schob, wieder nur Spott auf ihre Lippen. »Na gut. Ich habe Lotte angerufen, um ihr zu sagen, dass Jacky nach den Sommerferien nicht mehr kommt und sie sich eine andere Putzhilfe suchen muss. Wenn wir sonntags nicht mehr öffnen dürfen, dann wird Jacky unter der Woche nach der Schule im Laden helfen müssen. Das wollte ich Lotte beizeiten sagen.«
    »Und warum habt ihr den alten Dr. Zittel zur Leiche gerufen, nicht den Hausarzt?«
    »Weil Zittel sein Hausarzt war, Lisa. Er hat zwar nur noch wenige Privatpatienten, aber Martinus war einer davon. Außerdem mussten wir ihm doch sagen, dass Martinus nicht mehr zu seiner Buchpräsentation kommen und keine Laudatio halten konnte. Zufrieden?«
    »Nein.«
    »Was noch?«
    »Soll ich wirklich verschwinden, Barbara? Jetzt, sofort! Beunruhige ich dich dermaßen?«
    Sie atmete ein und aus. »Mach dich nicht lächerlich!«
    »Das ist das Einzige, was ich wirklich gut kann.«
    Ich streckte meine Hand aus. Sie wich zurück. Ich rückte nach und fädelte meine Finger in ihre akkurat auf Kante geschnittenen Nackenhaare. Sie fühlten

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