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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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steilen Hangweg ein und fuhr hinunter bis zum Elektrozaun. Ab hier mussten wir zu Fuß weiter hinein in das vom Sturm bedrohte Tal, in dem man kein Haus mehr sah. Die Äste der Pappeln knallten im Wind. Cipións Schlappohren standen waagrecht.
    Keiner der Schlüssel aus der Sammlung von Martinus passte in das Hängeschloss an dem stabilen, gut geölten Riegel. Cipión schnüffelte wie ein Staubsauger am Türritz. Seine fransige Rute hatte er gesenkt.
    »Was erwartest du da drin?«, fragte Richard.
    »Das Liebesnest von Vicky und Jannik. Irgendwo müssen sie sich getroffen haben. Irgendwo muss Jannik die letzte Woche gesteckt haben. Irgendwo muss er gestorben sein. Und von hier zum Leichenfundort sind es nur fünfhundert Meter. Vielleicht hat dein Vater auf seinem letzten Spaziergang zufällig Vicky beobachtet, wie er die Leiche zum Fluss trug, und deshalb musste er sterben.«
    »Ich kann mir Victor nicht als kaltblütigen Mörder vorstellen.«
    »Wieso kaltblütig? Immerhin hätte er sich dann anschließend selbst zu töten versucht.«
    »Und woher hätte er wissen sollen, dass der Flachmann meines Vaters Gift enthält?«
    »Weil er es selbst hineingetan hat, Richard, um damit deinen Vater umzubringen, wohl wissend, dass er das Fläschchen erben werde. Und hätte deine Mutter sich dessen nicht erinnert, so hätte er vermutlich selbst die Rede darauf gebracht.«
    »Sehr riskant!«
    »Du wirst dich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es jemand war, den wir kennen«, sagte ich. »Anders können wir deine Mutter nicht entlasten.«
    Er blickte mich an wie ein waidwunder Eber. »Ich werde mich nie daran gewöhnen!«
    Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er es ausnahmsweise einmal gutheißen würde, wenn ich einen Einbruch versuchte. Irgendwo in diesem ratlosen Muttersöhnchen von Frommern musste ja noch Rocky stecken, der Pistolenschütze, der zusammen mit Bullwinkle die Welt vor den pottsylvanischen Schurken bewahrt hatte.
    Ich nahm aus meinem Etui Spanner und Haken, auch Dietriche oder Pickwerkzeug genannt. Während ich im Schloss nach den Stiften stocherte und sie runterdrückte, versuchte Richard sich unter der Jacke eine Zigarette anzuzünden.
    »Wo ist eigentlich die Armeepistole deines Vaters abgeblieben?«, fragte ich.
    »Hier«, sagte er, griff sich in die Tasche, oder vielmehr in die Tasche seines Vaters. In seiner Hand wirkte die schwere eisenfarbene Parabellum mit dem dünnen Rohr und dem mit Holz beschlagenen Kolben leicht.
    Mir fiel der Spanner aus dem Schloss. Die Stifte klackten hoch. »Was … was willst du denn damit?«
    »Nichts. Ich habe vorhin erst bemerkt, dass sie sich in der Tasche befindet.«
    »Soll das heißen, dass dein Vater mit einer Pistole in der Jackentasche durch die Gegend gelaufen ist?«
    Richard zuckte mit den Schultern. »Jetzt im Sommer wohl eher nicht.«
    »Und das sagst du so leicht dahin?«
    »Wie soll ich es denn sonst sagen? Vermutlich gibt es eine ganz einfache Erklärung dafür. Er kann sie uns nur nicht mehr geben. Vielleicht hatte er sie reinigen lassen und dann vergessen, einfach weil er die Jacke seit Wochen nicht mehr angezogen hat.«
    Ich erlaubte mir ein ungläubiges Lachen. »Ist sie geladen?«
    Richard ließ das Magazin aus der Sperrung schnappen und stieß es zurück. »Ja.« Er ging sehr vertrauensselig mit der Waffe um. Sämtliche geprellten Rippen und angeschossenen Glieder meldeten sich mit schrillen Alarmtönen in meinem Kopf. Zugegeben, meine Nerven waren derzeit nicht die besten. Ich beschloss, mich auf das Schloss zu konzentrieren. Richard steckte die Pistole in die Jackentasche zurück, in die rechte, denn Martinus war Rechtshänder gewesen, und Richard war es auch, und versuchte erneut, sich eine Zigarette anzuzünden, vergeblich.
    Und wie das so ist, wenn man in Schlössern herumstocherte und schon die Hoffnung aufgegeben hatte, plötzlich gab der Spanner nach und der Bügel sprang aus dem Schlosskörper. »Offen!«
    Aber Richard versagte mir die Bewunderung. »Da kommt jemand.« Er schlitzte die Augen. »Es ist Barbara.«
    Über Balingen ging ein Blitz nieder. Der Donner brauchte noch etliche Sekunden, aber die ersten Tropfen fielen. Barbara stieg über den Elektrozaun und kam leicht außer Atem bei uns an. »Ich komme gerade aus dem Krankenhaus und habe euch gesehen, wie ihr abgebogen seid«, erklärte sie. »Was macht ihr hier?«
    »Wie geht es Vicky?«, fragte ich.
    »Sie haben ihn sediert. Und mich haben sie heimgeschickt. Ihr habt das Schloss

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