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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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der beiden Frauen verraten hätte: »Was wollen Sie denn von ihr?«
    »Sie wurde mir empfohlen. Falls Sie ihr begegnen, sagen Sie ihr doch, sie soll mich anrufen.« Allmen überreichte ihr seine Karte. Der Mann nahm sie ihr aus der Hand, studierte sie und steckte sie ein.
    Sie hatten das umständliche Abschiedszeremoniell noch nicht beendet, als die Musik sie davon erlöste.
     
    11
     
    Im Viennois waren die üblichen Nach-Zehn-Uhr-Gäste versammelt. Allmen saß an seinem angestammten Tisch zwischen dem des pensionierten Literaturkritikers, der mit seinem schweratmenden Pekinesen die in Milchkaffee getunkten Croissants teilte, und dem des auch nicht mehr ganz jungen Models mit den zwei Handys - eines zum ununterbrochen Telefonieren und eines zum Anrufe-von-Agenturen-Erwarten.
    Er trank wie immer seine »Schale«, aß ein Croissant und las eine Geschichte. Heute Anton Cechov, Anna am Halse.
    Die beiden uralten Damen, die sich in verschiedenen Taxis bringen und abholen ließen, waren in ihr schleppendes Gespräch vertieft, das sich, wie Allmen vermutete, um Äußerlichkeiten der Passanten drehte, die die beiden von ihrem Fensterplatz aus beobachteten. Der Zeitungsleser, der alle Stühle an seinem Tisch mit Mappe, Hut, Einkaufstüte und Mantel belegte, schnitt wie immer mit seiner Taschenmesserschere verstohlen Artikel aus den mit »Cafe Viennois« abgestempelten Zeitungen aus. An dem Tisch, an dem sich die drei Ladenbesitzer trafen, war noch immer der vierte Stuhl frei. Im Andenken an den Antiquitätenhändler Tanner, den die Libellenschalen damals das Leben gekostet hatten.
    Es gab wenige Orte, an denen Allmen sich so zu Hause fühlte wie in diesem altmodischen Café. Er hatte hier schon als Student gesessen, wenn er es in den Semesterferien auf dem Bauernhof seines Vaters nicht ausgehalten hatte. Das Klappern der Tassen, das Schnauben der alten Lavazza und die gedämpften, entspannten Stimmen waren für ihn heimatlichere Klänge als das Schnauben und Stampfen der Kühe im Stall seines Elternhauses.
    Allmen legte sein Buch auf den Tisch, trank einen Schluck Kaffee und sah sich um. Die Empfangsdame einer Praxisgemeinschaft kam mit einem Tablett voll schmutziger Tassen an und trank am Tresen einen Espresso, während sie auf die Kaffeebestellung für ihre Kollegen wartete. Auch die beiden Beamten der Stadtverwaltung waren eingetroffen, die jeden Wochentag miteinander um ihren Kaffee und ihre Croissants knobelten.
    Ein Handy spielte seine dämliche Melodie. Nur daran, dass etwas in seinem Jackett vibrierte, merkte Allmen, dass es sein eigenes war. Er ließ sich von Carlos immer wieder seinen Klingelton ändern, jeder war ihm peinlich.
    Er meldete sich. Eine Frau fragte auf Spanisch: »Sind Sie Herr von Allmen?«
    »Allmen. Allmen reicht.«
    »Ich bin Maria Moreno. Man hat mir gesagt, Sie hätten sich nach mir erkundigt.«
    »Schön, dass Sie anrufen.«
    »Jemand habe mich empfohlen.«
    »Stimmt.«
    »Wer?«
    »Eine frühere Arbeitskollegin von der Gelbburgstraße. Aber sie hat gesagt, Sie hätten vielleicht etwas Festes.«
    Nach kurzem Zögern sagte sie: »Nicht mehr. Ich bin frei. Ich mache aber keine Büros. Nur privat.«
    »Ich bin privat.«
    »Ihre Karte sieht aus wie von einer Firma.«
    »Es wäre aber für mich privat.«
    »Fest oder stundenweise?«
    »Stundenweise.«
    »Ich suche fest. Mit Wohnung.«
    Allmen zögerte.
    »Oder stundenweise. Geht auch. Dreißig.«
    Als Allmen nicht sofort antwortete, fügte sie hinzu: »Oder fünfundzwanzig. Weniger nicht.«
    »Die Details besprechen Sie dann mit meinem Assistenten. Ich leite Ihre Daten an ihn weiter. Moment.« Allmen blätterte zur letzten Seite seines Cechov und holte seinen Schreiber aus dem Jackett. »Also, ich notiere.«
    »Was notieren Sie?«
    »Ihre Personalien. Name, Adresse und so weiter.«
    »Wozu brauchen Sie die?«
    »Um sie an meinen Assistenten weiterzugeben.«
    Die Frau schwieg. Dann sagte sie mit etwas veränderter Stimme: »Ich kann aber nicht offiziell.«
    »Keine Angst. Das geht nicht weiter als bis zu meinem Assistenten.«
    Maria Moreno gab Allmen ihre Personalien. Erst bei den Fragen zu ihrem früheren Arbeitgeber kam sie ins Stocken. »Weshalb brauchen Sie die?«
    »Für etwaige Referenzen. Reine Routine.«
    Widerwillig machte sie die Angaben. »Artjom Sokolow, Spätbergstraße 19. Aber dort erreichen Sie ihn nicht.«
    »Weshalb?«
    »Er ist weg.«
    »Für länger?«
    »Weiß nicht.«
    »Wohin?«
    »Weiß nicht.«
    Allmen verabschiedete sich

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