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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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die Premiere von Bellinis Sonnambula stand an diesem Abend auf seinem Programm -, sprach er noch einmal mit Carlos. Er stand im dunklen Anzug in der kleinen Diele und wartete auf das Klingeln von Herrn Arnold, der ihn zur Golden Bar fahren würde. Dort wollte er wie immer vor der Oper seine beiden Margaritas trinken. Carlos leistete ihm beim Warten Gesellschaft.
    »Carlos, ich habe gelesen, dass jeder Computer seine eigene Adresse hat.«
    »St, Don John. Die Ip-Adresse.«
    »Und damit kann man den Standort des Computers feststellen?«
    »Man kann den Standort des Routers feststellen, über den er sich mit dem Internet verbindet.«
    »Warum tun Sie das nicht, Carlos?«
    »Ich müsste über seinen Provider gehen, aber ich weiß nicht, wer das ist. Die Mailadresse, die wir von Montgomery bekommen haben, funktioniert nicht mehr. Sokolows Mail Account ist nicht mehr auf diesem Server.«
    Es klingelte. Carlos ging zur Gegensprechanlage. »Ja?«
    »Taxi«, sagte Herrn Arnolds Stimme.
    »Herr von Allmen kommt gleich.« Carlos öffnete für Allmen die Tür und wünschte ihm einen schönen Abend.
    Aber Allmen blieb noch einmal stehen. »Und wenn Sokolow den Provider erst von seinem neuen Aufenthaltsort aus gewechselt hätte?«
    »Dann könnte man die IP-Adresse über den alten Provider herausfinden.«
    Allmen sah Carlos aufmunternd an.
    Carlos schüttelte den Kopf. »Nur über den Administrator des Servers.«
    »Wissen Sie, wer das ist?«
    »Ich könnte es herausfinden.«
    »Und weshalb tun Sie es nicht?«
    »Ein Administrator gibt die IP-Adresse nur an die Polizei heraus.«
    »Ach so.« Allmen ging hinaus in den lauen Sommerabend.
     
    Keine Viertelstunde später wusste Carlos mehr über den früheren Server von Sokolows Mailadresse [email protected] .
    http://www.phinnkka.com stand in Kolbhausen, einem Vorort keine zwanzig Kilometer von hier. Der Server-Suchdienst zeigte ihm den Standort an, und er konnte diesen so nahe heranzoomen, dass er die Straße sah. Sie hieß Schwarzkirschstraße, eine kurze Sackgasse mit vier Häusern. Im Luftaufnahmemodus konnte er die Dächer der Häuser deutlich erkennen.
     
    14
     
    Es roch nach Schweinezucht und Teer. Kolbhausen lag hinter den östlichen Hügeln der Stadt, ohne Aussicht auf den See und mit schlechten Verkehrsverbindungen. Die Schwarzkirschstraße lag in einer kleinen Einfamilienhaussiedlung aus den sechziger Jahren, umgeben von Landwirtschaftsbetrieben, einer kleinen Konservendosenfabrik und einer Werkstatt für Landwirtschaftsmaschinen.
    Herr Arnold hielt vor einem der vier Häuschen mit steilen Giebeln, Apfelspalieren und hässlichen Garagenanbauten aus verschiedenen Epochen der vergangenen fünfzig Jahre.
    Es war nicht schwer, das richtige zu finden. Am Eingang des zweiten war anstelle der Hausnummer ein @ angebracht. Allmen öffnete das eingerostete Gartentor. Ein Kiesweg führte durch den verwilderten Garten zum Hauseingang. »Ernst Neuenhauser« stand über der Klingel. Er drückte darauf. Im Haus war das Brüllen eines Löwen zu hören.
    Allmen erschrak und trat einen Schritt zurück. Nichts geschah. Alles still, bis auf das rasche Tropfen eines Wasserhahns neben der Haustür, unter dem ein grüner Plastikeimer überlief.
    Er klingelte erneut. Wieder das Löwengebrüll. Wieder geschah nichts weiter.
    Allmen ging ums Haus herum. Den größten Teil des Gartens nahmen verwahrloste Gemüsebeete ein. Aufgeschossener Salat, leere Bohnenstangen und Tomatengerüste, die Wege zwischen den Beeten überwuchert, ein morsches Regenfass, ein aufgerollter brüchiger Gartenschlauch inmitten von kerngesunden Brennnesseln.
    Drei Treppenstufen führten aus dem Haus heraus. Die Tür besaß ein mit Schmiedeeisen vergittertes Fenster und stand halb offen. Links davon ein großes Blumenfenster ohne Blumen und mit zugezogenen Vorhängen. Kein Lebenszeichen.
    Doch gerade, als Allmen den Blick abwenden wollte, sah er eine Bewegung. Als hätte jemand den Vorhang ein wenig beiseitegeschoben und jetzt fallen lassen.
    Allmen ging zu den drei Stufen, zögerte einen Moment und stieg dann hinauf. An der halboffenen Tür blieb er stehen. Er hörte Musik, einen Volksmusikschlager.
    »Hallo?«, rief er, »jemand zu Hause?« Und als keine Reaktion kam, etwas lauter: »Entschuldigung, ich suche Herrn Neuenhauser!«
    Es roch nach Essen, Zigaretten und Schweiß. Allmen streckte den Kopf in den Raum. Er sah in ein abgedunkeltes Zimmer, in dem eine unbeschreibliche Unordnung herrschte. Kleider, Einkaufstaschen,

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