Allmen und der rosa Diamant
»Arti war Freelancer. Sein eigener Arbeitgeber. Programmierte mal für den und mal für jenen. Sie kennen Arti. Nichts geht ihm über seine Freiheit.«
Allmen nickte wissend. »Und für wen er freischaffend tätig war, hat er natürlich auch nie erwähnt.«
Ted lachte auf. »Arti doch nicht. Die Diskretion in Person.«
Ted fand Allmen so sympathisch, dass er ihm immer wieder versicherte, dass er ihm gerne weiterhelfen würde, wenn er könnte. Bei der dritten Flasche, die Allmen mittlerweile bestellt hatte, gestand er ihm, wenn er wüsste, wo Sokolow wohne oder für wen er arbeite, würde er es ihm verraten.
»Dir schon«, fügte er hinzu. »Den beiden anderen nicht.«
»Welchen anderen?«, wollte Allmen wissen. »Denen, die vor ein paar Tagen nach Arti gefragt haben. Denen nicht.«
»Engländer? Amerikaner?«
»Beides.«
Es war fast zwei Uhr, als Allmen das Lonely Nights verließ. Rosy-aber-ich-steche-nicht hatte er mit einem Handkuss verabschiedet. Und einer großzügigen Entschädigung dafür, dass er aus Gründen, die er ihr beim nächsten Mal erläutern wollte, diesmal nicht auf ihren Vorschlag eingehen konnte, im Intotel ein Zimmer zu nehmen.
7
Wenn Carlos den Early Morning Tea brachte, sprach er nicht mehr als die Worte »Muy buenos días, Don John«. Denn es war jeweils fünf vor sieben, keine Uhrzeit für Konversation mit Allmen.
Ausgerechnet an diesem Morgen, an dem Allmens Kopf schwerer und seine Zunge trockener war als sonst, beschloss Carlos, eine Ausnahme zu machen. Dem »Muy buenos días, Don John« fügte er ein »Como amaneció usted? « hinzu, eine etwas zeremonielle Formulierung, um sich nach jemandes morgendlichem Befinden zu erkundigen.
Es war eine Frage, auf die Allmen um diese Zeit und in diesem Zustand noch keine ausführlichere Antwort bereithatte als »Muy bien, gracias«.
Carlos stellte die Tasse aufs Nachttischchen und wartete.
»Ich berichte später, wenn Sie Zeit haben.« Um sieben musste Carlos seine Arbeit beginnen, und Allmen könnte noch ein bisschen dösen.
Aber Carlos antwortete: »Ich habe Zeit. Es ist erst Viertel vor.«
Er hatte sich also die Freiheit genommen, seinen Patrón zehn Minuten früher zu wecken. So neugierig war er auf das Resultat von dessen Nachforschungen.
Umso enttäuschter war er, als Allmen seinen kurzen Bericht beendet hatte.
»Lo siento, das ist alles«, entschuldigte sich Allmen.
»No tenga pena«, beruhigte ihn Carlos. »Wenn Sie mir dann die Belege bereitlegen würden für die Spesenabrechnung.«
Dann wünschte er ihm einen schönen Tag und bat um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen. »Con permiso. «
Die Spesenabrechnung war ein Dauerthema. Es war gegen Allmens Natur, Spesenbelege zu sammeln. Das war etwas für Krämer. Den Mann von Welt interessiert es nicht, wofür sein Geld draufgegangen ist.
Er setzte sich auf, stopfte sich ein Kissen hinter den Rücken und schlürfte den lauwarm gewordenen Tee.
Niemand verschwindet spurlos. Aber manchmal verschwindet die Spur wie das Ende des Wollfadens im Knäuel. Sie mussten es finden, bevor es ein anderer tat.
8
Es war Carlos, der den Faden wiederfand.
»Die Gelbburgstraße«, sagte er mit seiner Hartnäckigkeit, die Allmen manchmal als Sturheit auf die Nerven ging, »die Gelbburgstraße ist unsere beste Spur.«
Während Allmen Überlegungen anstellte, wie er mögliche Auftraggeber von Sokolow ausfindig machen könnte - wobei er völlig auf Carlos’ Internetkenntnisse angewiesen wäre - , machte sich dieser Gedanken zu dem Apartmenthaus. Im Prospekt stieß er schließlich auf etwas, was ihn inspirierte: »Reinigung i x wöchentlich, inkl. Abfallbeseitigung.«
Das war es. Sie mussten die Nachforschungen eine soziale Stufe tiefer weiterführen. Dafür war Allmen der falsche Mann. In der Vorbereitungsphase war Carlos allerdings auf dessen Hilfe angewiesen.
Er ging in die Bibliothek, wo Allmen nach der Siesta eine Stunde zu lesen pflegte, und erläuterte ihm seinen Plan.
Allmen griff zum Telefon und rief bei Immolandia an. Die Frau, die ihm am Tag zuvor Auskunft gegeben hatte, meldete sich. Sie klang erfreut, so rasch wieder von ihm zu hören.
»Eine kleine technische Frage« hatte der Herr von Allmen: »Ich entnehme Ihrem Prospekt, dass die Apartments einmal wöchentlich gereinigt werden. Wann ist das normalerweise? Unsere Teams arbeiten vornehmlich zu Hause und nehmen regelmäßig an internationalen Videokonferenzen teil. Dabei sind Störungen durch
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