Allmen und der rosa Diamant
Führung.
Im großen Vestibül stand eine Lieferung noch verpackter Möbel, sonst war das Haus praktisch leer. In der Küche gab es ein paar Küchengeräte, im großen Salon stand ein Sofa wie eine Aussichtsbank vor dem Fenster. Im Elternschlafzimmer lag eine Matratze am Boden, mit frischem Bettzeug bezogen, wohl noch das Werk von Maria Moreno. In einem Mottenschrank aus Plastik hing ein Anzug, im Mosaik-Badezimmer fanden sich eine Seife, eine Flasche Duschgel und eine ungeöffnete Tube Zahnpasta mit einem Aktionskleber »2 für 1«.
Die prägenden Stilelemente des Hauses waren Rundbögen aus Backstein, Verzierungen aus Schmiedeeisen, phantasievolle Parketts und dekorative Steinböden. Allmen kam sich vor wie im Dekor einer Fernsehsendung von Vico Torriani.
Die Villa besaß elf Zimmer, eine Sauna, eine Kellerbar mit Butzenscheiben, eine automatische Kegelbahn, einen klimatisierten Weinkeller, Wirtschafts- und Personalräume.
Im Garten gab es eine künstliche Grotte mit einem Grill und einem Kühlschrank. Und einen nierenförmigen Pool, umrandet von grobbehauenen Granitplatten. Das einzig Schöne war der Blick: Über die Dächer der weiter unten am Hang liegenden Nachbarhäuser sah man auf Stadt und See hinunter im Licht des wechselhaften Sommertages.
Die Miete betrug sechzehntausend Franken im Monat. Plus Nebenkosten. Allmen bezeichnete den Preis als fair.
»Dann setzen wir uns am besten noch heute mit dem Mieter in Verbindung«, schlug er vor.
Schuler drehte hilflos die Handflächen nach oben. »Wenn das so einfach wäre. Ich habe keine Kontaktadresse. Weder eine postalische noch eine elektronische. Und sein Handy antwortet nicht. Aber ich verspreche Ihnen: Sobald er mit uns Kontakt aufgenommen hat, hören Sie von mir.«
13
Allmen liebte den Geruch von frischgemähtem Rasen. Er zog ihn dem von frischgemähtem Gras vor. Dieser erinnerte ihn an seine Jugend. Er war der Vorbote der Heusaison gewesen. Des sonnenverbrannten Nackens, an dem der Heustaub klebte und juckte.
Der Duft von frischgemähtem Rasen weckte keine bäuerischen Erinnerungen. Es war ein eleganter Duft. Er roch nach Landsitzen, Golfclubs, Lawn Tennis und Garden Parties. Auch nach denen in der Villa Schwarzacker, für die Allmen damals gegen das Wetterrisiko auf einem Teil des Rasens die Beduinenzelte aufstellen ließ, die nun im Schuppen der Villa eingemottet waren. Wenn Allmen Maitre Parfumeur wäre, er hätte längst den Duft »Lawn« kreiert.
Aber an diesem späten Nachmittag hätte er lieber auf den Rasenduft verzichtet, um dafür etwas früher mit dem Mann reden zu können, der ihn hervorrief.
Carlos saß auf dem Aufsitzmäher und fuhr seine aufreizend langsamen Bahnen, obwohl es nach fünf war und seine Arbeitszeit damit zu Ende. Allmen beobachtete ihn von der Bibliothek aus - sah ihn hinter der Villa hervorkommen, bis zur Nordhecke tuckern, wenden, wieder vorbeifahren und hinter der Villa verschwinden. Als Carlos verschwunden blieb, wusste Allmen, dass es jetzt noch eine Weile dauern würde, bis er den Mäher gereinigt und im Schuppen untergebracht hatte.
Er setzte sich in den Lesesessel und tat so, als sei er in sein Buch versunken. Aber als er Carlos endlich auf das Gärtnerhaus zukommen sah, stand er auf und begab sich ins Vestibül für eine zufällige Begegnung.
Carlos kam in seinem grauen Overall und einer Duftwolke von »Lawn« herein.
Als er sich gleich zum Umziehen zurückziehen wollte, hielt ihn Allmen zurück.
»Ich war drin.«
» No me diga!«
»Sokolow hat das Haus nie richtig bewohnt. Er ist kurz nach seinem Einzug untergetaucht.«
Allmen erzählte Carlos von seiner zufälligen Begegnung mit dem Verwalter und gab ihm eine ausführliche Beschreibung des Hauses.
Als er seinen Bericht beendet hatte, fragte er: »Was kann jemanden, der ein teures Haus gemietet, bis Jahresende bezahlt und schon die Möbel bestellt hat, dazu bringen, spurlos zu verschwinden?«
Carlos brauchte nicht nachzudenken. » Miedo. «
»Angst? Er hatte ja auch keine Angst, einen Diamanten im Wert von fünfundvierzig Millionen zu stehlen. Sokolow fühlte sich sicher. Sonst hätte er doch diese Villa nicht gemietet. Nein, nein, Sokolow hat sich auf ein gemütliches Leben im Wohlstand eingerichtet. Irgendetwas ist danach passiert.«
Carlos nickte nachdenklich. »Das glaube ich auch, Don John. Etwas ist passiert. Vielleicht sogar ihm.« Er entschuldigte sich und stieg die Treppe zu seinem Quartier hinauf.
Bevor Allmen aus dem Haus ging -
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