Allmen und der rosa Diamant
»Mister Sokolow, please.«
Allmen hielt die Hand über die Sprechmuschel und nickte aufgeregt zu Carlos. Nach kurzer Wartezeit sagte er: »I see, never mind. No, thank you, no message. Goodbye.«
Triumphierend sah er Carlos an. »Nicht auf seinem Zimmer.«
19
Allmen hatte schon viel Gutes über das Haus gehört. Der nachtblaue Bentley Mulsanne, der ihn vom Flughafen Rostock abholte, schien diesen guten Ruf zu bestätigen.
Das Polster war aus schnurfarbenem Leder, das Furnier aus dunklem Vavona, der Fahrer ein schweigsamer Uniformierter, der das Fahrzeug mit der Sicherheit und Rücksicht eines alten Herrschaftschauffeurs steuerte.
Allmen genoss die Fahrt von Rostock nach Heiligendamm. Er lehnte sich zurück und betrachtete die vorbeiziehenden Alleen, die ab und zu von Gehöften mit schweren Reetdächern unterbrochen wurden. In diesem Moment war der Beruf des Ermittlers genau nach seinem Geschmack.
Im Grand Duc wurde er wie ein alter Stammgast begrüßt. Der Direktor war schon bei der Einfahrt des Bentleys in das Hotelareal informiert worden und erwartete den Herrn von Allmen in der Lobby. Er gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass das Wetter sich schon am nächsten Tag bessern werde, und begleitete den neuen Gast zum Empfang, wo er ihn der Obhut einer Rezeptionistin anvertraute.
Diese hatte den Meldezettel so weit vorbereitet, dass Allmen nur noch zu unterschreiben brauchte.
Einzig, als sie ihn um einen Abdruck seiner Kreditkarte bat, entstand eine kleine Unebenheit im reibungslosen Ablauf der Empfangsformalitäten.
»Kreditkarte?«, wunderte sich Allmen, »eine Kreditkarte habe ich nie besessen und werde ich auch nie besitzen.« Er zeigte sein bezauberndstes Lächeln. »Aber ich nehme doch an, Sie nehmen auch richtiges Geld?«
Die Rezeptionistin erwiderte sein Lächeln, entschuldigte sich aber doch für einen Augenblick und verschwand im Büro hinter dem Empfangstresen. Kurz darauf kam sie zurück, erneut lächelnd. Die Kreditkarte erwähnte sie mit keinem Wort mehr. »Wenn ich Ihnen jetzt bitte Ihre Suite zeigen dürfte?«
Auf dem Weg zum Lift bestätigte Allmen, dass dies sein erster Besuch im Grand Duc sei. Im Lift versicherte er ihr, dass er gut gereist sei und auch nicht zu müde von den Strapazen. Im Korridor gab er sich beruhigt über die Aussicht, dass sich das Wetter bessern werde. Und im Zimmer zeigte er sich zufrieden über selbiges.
Daran gab es auch tatsächlich nichts auszusetzen. Es besaß ein geräumiges Schlafzimmer mit anschließendem Bad, eine separate Toilette, einen begehbaren Schrank und einen großen Salon mit Blick auf die Ostsee und den mit Strandkörben besetzten Strand. Allmen hatte sich für die höchste Zimmerkategorie entschieden. Er sah nicht ein, weshalb er auf Firmenkosten bescheidener logieren sollte als auf eigene.
Carlos hatte noch am Vortag die Rechnung über den zweiten Vorschuss an Montgomery gemailt, Fälligkeit bei Erhalt. Begründung: Aufwand für grenzüberschreitende Ausweitung der Recherchen. Wohin, hatten sie nicht präzisiert. Falls doch eine Verbindung zwischen Montgomery und den anderen Ermittlern bestand, wollten sie ihren möglichen Vorsprung nicht aufs Spiel setzen.
Allmen rechnete jeden Moment mit dem Zahlungseingang auf dem Firmenkonto. Er hatte also keinen Grund, sich finanzielle Sorgen zu machen, und nahm sich vor, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden.
20
Noch nie, auf keiner seiner zahlreichen Reisen, hatte er das Meer so erlebt wie hier. Dieser mächtige Gleichmut, diese verhaltene Verheißung, diese geheimnisvolle Symbiose zwischen Nord und Süd.
Obwohl der Himmel bedeckt war, war das Klima mild, sanft, schmeichlerisch, feucht, fast tropisch. Nur das Licht war anders. Ernster, feierlicher.
Ein langer Bootssteg ragte weit ins Wasser hinaus, wie eine Brücke zu einem verschwundenen Ufer. Darauf waren ein paar Menschen zu sehen. Sie bewegten sich in beide Richtungen. Langsam, wie Schiffspassagiere, die den Abschied oder die Ankunft hinauszögern wollten.
Noch bevor Allmen seine Koffer auspackte und die Schränke einräumte, zog er die Badehose an, schlüpfte in den Bademantel und ging zum Strand. Nur wenige Körbe waren besetzt.
Er warf den weißen Frotteemantel mit dem Hotelemblem in den feinen Sand und ging zum Wasser.
Es war nicht so kalt, wie es aussah, und er konnte es über einen Sandteppich betreten, der so sanft abfiel, dass ihm genügend Zeit blieb, seinen Körper an die Abkühlung zu gewöhnen.
Erst als
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