Allmen und der rosa Diamant
8694 Schwarzegg.
Allmen sah vom Blatt auf und begegnete Montgomerys Augen, die ihn während der kurzen Lektüre angestarrt haben mussten. »Wie sind Sie auf uns gekommen?«
»Ich habe Erkundigungen eingeholt. Ihr Leistungsausweis hat mir gefallen. Vor allem die Sache mit den Libellenschalen. Fast zehn Jahre sucht die Polizei danach, und Ihr Büro findet sie in kurzer Zeit. Hut ab.«
Allmen lauschte dem Satz nach, ob er ironisch geklungen habe, und entschied sich dagegen.
»Uns gefällt auch, dass Sie ein kleiner Laden sind, in dem der Namensgeber noch persönlich aktiv ist. Und auch Ihre internationale Präsenz kommt unseren Bedürfnissen entgegen.«
Immer noch keine Ironie festzustellen.
»Aber Hand aufs Herz …«
Allmen blickte vom Mäppchen auf, wohin er den Blick während des Lobes bescheiden gesenkt hatte.
»Ist die Sache für Sie nicht zu groß? Jetzt wäre der Moment, es mir zu sagen. Last exit.«
Wie sollte jemand, der einen großen Teil seines Lebens über seine Verhältnisse gelebt hat, einschätzen können, wann eine Sache für ihn zu groß ist? Allmen lächelte nur. »Danke für die Chance.« Dann wandte er sich seinem Blatt zu und machte sich eine stenographische Notiz.
Er hatte in seiner Zeit als internationaler Bummelstudent einen Stenographiekurs nach Stolze-Schrey absolviert. Nicht weil er sich davon einen direkten Nutzen versprach, sondern weil er damit unter seinen Mitstudenten und bei seinem Vater Aufsehen zu erregen hoffte. Was ihm auch immer wieder leidlich gelungen war.
Diese Fertigkeit hatte er sich erhalten. Seine immer persönlicher gewordene Stenographie war zu seiner Geheimschrift geworden. Er liebte sie, wie alles Geheimnisvolle.
Auch Montgomery schien beeindruckt zu sein. Als Allmen aufblickte, sah dieser zum ersten Mal nicht in seine Augen, sondern auf das Blatt.
»Wie lauten Ihre Konditionen?«, wollte er wissen.
So wichtig das Finanzielle für Allmen war, so ungern sprach er darüber. Carlos hatte ihm ein Blatt vorbereitet, auf dem die wichtigsten Punkte aufgelistet waren. Allmen hatte dieses nicht bereitgelegt, um die Nebensächlichkeit des Themas zu unterstreichen. Er stand auf, ging zum Schreibtisch, tat, als müsse er suchen, und kam endlich mit zwei Blättern zurück, die beide mit »Fee Agreement« überschrieben waren.
Achtzig bis hundertfünfzig betrug das Stundenhonorar, je nach Qualifikation der Mitarbeiter und Komplexität von deren jeweiliger Tätigkeit. Recherche- und Fahndungsaufgaben waren zum Beispiel teurer als einfache Überwachung. Dazu kamen Spesen und gegebenenfalls eine Erfolgsprämie von entweder zehn Prozent der Rechnungssumme, oder, falls der Wert des Wiederbeschafften höher lag, zehn Prozent desselben. Ob das Honorar in Franken, Pfund, Euro oder Dollar fällig wurde, hing vom Auftragsland ab.
Diese Honorarvereinbarung reichte er Montgomery. Der überflog sie und legte sie auf das Clubtischchen.
»Und wie fakturieren Sie?«
In diesem Punkt hatte er mit Carlos Flexibilität vereinbart. Je nach Reaktion des Klienten berechnete Allmen International entweder die erbrachten Leistungen oder stellte Akontorechnungen. Montgomerys Reaktion sprach für das zweite Modell.
»Wir stellen Akontozahlungen in Rechnung und gleichen den Saldo - ob zu Ihren oder unseren Gunsten - bei Beendigung der Zusammenarbeit aus.«
»Und wie hoch ist das Akonto?«
»Zwanzigtausend. In Ihrem Fall Pfund.«
Montgomery fischte aus dem Executive Case ein Kuvert und schob es über das Clubtischchen. »Zehn, okay?«
Allmen nahm es ohne Kommentar zur Kenntnis. Das Kuvert ließ er nonchalant dort liegen, wo Montgomery es hingeschoben hatte.
»Und dann ist da noch die Erfolgsprämie. In unserem Fall können Sie ja schlecht von zehn Prozent ausgehen.« Montgomery schraubte den Deckel seines Füllfederhalters ab.
»Ich denke, hier könnten wir Ihnen ausnahmsweise acht Prozent anbieten.«
»Vier«, bestimmte Montgomery. Er strich auf beiden Ausfertigungen die Zehn, schrieb »vier« daneben, datierte und unterschrieb die Vereinbarungen und gab sie Allmen. Dieser unterschrieb ebenfalls und legte sein Exemplar zum Kuvert mit dem Geld.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, stellte Allmen sich ans Fenster und sah auf die Straße hinunter. Er sah Montgomery aus der Haustür treten. Er hatte sein Handy am Ohr, klappte es zusammen und steckte es ein. Keine Minute später hielt ein schwarzer Range Rover am Straßenrand. Auf der Beifahrerseite stieg ein Mann aus, überließ
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