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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Montgomery seinen Platz und machte die Tür zu. Er wartete, bis der Wagen eine Lücke in der Kolonne nutzte und losfuhr, und nutzte dann seinerseits eine Lücke, überquerte rasch die Straße und verschwand im Park. Der Mann trug eine schwarze Sporttasche über der Schulter.
     
    Drei Dinge tat Allmen danach, die er bei weniger günstigem Verlauf des Meetings unterlassen hätte: Er ging zu Fuß ins Wilton Arms, sein Lieblingspub in Knightsbridge, und trank zwei herrliche lauwarme, randvolle, schaumfreie half pints of bitter.
    Er stattete seinem Maßschneider an der Savile Row einen Überraschungsbesuch ab und bestellte einen Dreiteiler aus wunderbarem Donegal.
    Und er ließ sich im Claridge einen Upgrade seiner Junior Suite zu einer richtigen Suite machen.
    Als er sich am nächsten Morgen zum Flughafen fahren ließ, fiel ihm ein Mann auf. Er fotografierte die Hoteleinfahrt und trug eine schwarze Sporttasche über der Schulter.
     
    2
     
    Carlos empfing ihn in der blauen Schürze, die er zum Schuhputzen trug. Er nahm Allmen Gepäck und Regenmantel ab und folgte ihm in die gläserne Bibliothek.
    Er hatte an diesem Sommernachmittag die ausgebleichten orangefarbenen Rollos auf dem Dach heruntergelassen, die früher die Pflanzen und heute die Bücher vor der direkten Sonneneinstrahlung schützten. Auch die Vorhänge waren zugezogen. Die Sonnenstreifen, die da und dort grell durch die Lücken der Verdunkelung fielen, gaben dem großen Raum etwas Theatralisches.
    Der Klavierhocker stand schon bereit, umgeben von einem großen Teil von Allmens Schuhen. Kein Paar hatte eine Reinigung wirklich nötig.
    Allmen setzte sich und stellte den rechten Fuß auf die schwarzlackierte Schuhputzkiste. Carlos begann zu bürsten. Er stellte keine Fragen, wartete nur darauf, dass Allmen zu erzählen begann.
    »Carlos, das ist der internationale Durchbruch von Allmen International Inquiries.«
    »No me diga«, erwiderte Carlos, »was Sie nicht sagen.« Er nahm einen Lappen aus der Kiste und träufelte aus einer kleinen Plastikflasche eine Flüssigkeit auf den Schuh. Er hatte ihm nie gesagt, was es war, und Allmen hatte nie danach gefragt. Aber es hätte ihn nicht überrascht, wenn es einfach nur Wasser gewesen wäre.
    Allmen erzählte ihm von dem rosa Diamanten, der fünfundvierzig Millionen wert war, und den eins Komma acht Millionen Erfolgsprämie.
    Stumm hörte Carlos zu. Klopfte mit dem Zeigefinger unter die Fußspitze, wenn Allmen den Fuß wechseln musste, und murmelte »porfavor«, wenn er wollte, dass sein Kunde ein neues Paar anzog.
    Die Schuhe standen spiegelblank in Reih und Glied auf dem Teppich, Allmen war am Ende seines Berichts angelangt, und Carlos hatte noch immer kaum etwas gesagt.
    »Qué pasa, Carlos? Weshalb sagen Sie nichts?«, fragte Allmen.
    Carlos hatte begonnen, die Schuhe in einen Wäschekorb zu schichten, um sie dann in Allmens Schuhschrank zu räumen. Jetzt unterbrach er seine Arbeit. »Die Sache ist zu groß für Allmen International, Don John. Wir sollten den Auftrag ablehnen.«
    »Sie meinen, es geht um zu viel Geld?«
    »Es geht um zu viel von allem.«
    Allmen verstand nicht genau, was Carlos meinte. Vielleicht das Gefühl, das auch ihn auf dem Rückflug kurz befallen hatte: Dass er im Begriff war, sich in eine Welt zu begeben, in der andere Größenordnungen herrschten. Leute, die fünfundvierzig Millionen für einen Fingerring ausgeben wollen und können, sind zu allem fähig. Und Leute, die Fingerringe für fünfundvierzig Millionen klauen wollen und können, erst recht.
    »Allmen International wird daran wachsen«, antwortete Allmen.
    Carlos schüttelte den Kopf: »Con todo el respeto, bei allem Respekt: Ich fände es klüger, wenn Allmen International Inquiries den Auftrag ablehnte.«
    »Denken Sie doch daran, wie viel wir schon investiert haben. Die Reise, das Hotel…«
    Genau genommen war es nicht Allmen International, die die Investitionen getätigt hatte. Es war Carlos. Er hatte - nicht zum ersten Mal seit Firmenbestehen - aus seinem Teil der Libellen-Erfolgsprämie und persönlichen Ersparnissen der Agentur ein Darlehen gewährt. Nach seiner Buchhaltung schuldete sie ihm mehr als das Aktienkapital von zwanzigtausend Franken, das sie bei der Gründung der GmbH zu gleichen Teilen einbezahlt hatten. Streng genommen gehörte Allmen International Inquiries Carlos Santiago de Leon. Aber da er aus Gründen, die mit seinem Status als Illegaler zu tun hatten, nur ein stiller Teilhaber sein konnte, stand im

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