Allmen und der rosa Diamant
Enddreißigerin hinter dem Bildschirm. Bei Allmens Eintreten sah sie unwirsch auf und taxierte den Störenfried. An der Art, wie er gekleidet war, erkannte sie wohl einen potentiellen Kunden und lächelte ihm zu. Sie erhob sich halb und bot ihm den Besucherstuhl an, der an der Frontseite ihres Schreibtischs stand.
Allmen stellte sich vor, zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr eine Visitenkarte. Er hatte zwei Versionen drucken lassen. Eine mit »Johann Friedrich von Allmen« und darunter, zwei Punkt kleiner, »International Inquiries«. Die andere mit dem Haupttext »Allmen International« und darunter, diskret, seinem vollen Namen mit dem Zusatz »ceo«. In diesem Fall entschied er sich für Letztere.
Erst als er ihr die Karte übergeben hatte, setzte er sich der Frau gegenüber. Sie studierte sie und fragte, noch etwas mehr beeindruckt: »Was kann ich für Sie tun?«
Ihre Lippen trugen die Spuren eines Lippenstifts, der jetzt vor allem an den Filtern der Stummel haftete, die neben einer noch glimmenden Zigarette im Aschenbecher lagen. Sie drückte sie aus. »Entschuldigen Sie, dass ich rauche. Wir haben hier wenig Laufkundschaft, das meiste läuft bei uns übers Internet.«
»Bitte rauchen Sie ruhig, es stört mich nicht«, log Allmen. Dann kam er zur Sache: »Ich habe zwei Anliegen. Erstens: Bei uns herrscht immer wieder Bedarf an mittelfristigen Unterkünften für unseren internationalen Stab. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ein paar Unterlagen über Ihre Firma zu händen unseres Human Resource Department mitzunehmen.«
Die Frau stand auf, öffnete einen Aktenschrank und begann, Prospekte, Folder, Flugblätter und anderes Werbematerial herauszusuchen. Sie war etwas übergewichtig, aber das schien ihr egal zu sein. Wenn sie sich nach den oberen Regalen streckte, entblößte sie die Hüftpolster; wenn sie sich nach den unteren bückte, den Spitzenbesatz ihres Slips.
Sie steckte alle Unterlagen in ein großes Kuvert, reichte es ihm und setzte sich wieder. »Und das zweite Anliegen?«
»Nur eine Frage: Ein Geschäftspartner hat mir diese Adresse angegeben. Aber als ich ihn dort aufsuchen wollte, war er bereits ausgezogen. Ich wollte Sie um seine neue Adresse bitten.« Er reichte ihr einen Notizzettel mit Sokolows Namen und der Anschrift in der Gelbburgstraße.
»Schuldet er Ihnen auch Geld?«
Allmen war nicht überrascht. »Nein, warum?«
»Sie sind nicht der Erste, der sich nach Herrn Sokolow erkundigt.«
»Wer sonst noch?«
»Der Erste war Engländer. Der Zweite Amerikaner. Ich konnte beiden nicht weiterhelfen. Herr Sokolow hat keine Adresse hinterlassen.«
»Was mache ich jetzt?« Allmens Ratlosigkeit wirkte so echt, dass die Frau sich erbarmte.
»Die meisten unserer Mieter gehen zurück ins Ausland. Dann wird es natürlich schwierig. Aber falls nicht: Versuchen Sie es beim Einwohnermeldeamt. Dort kann man Ihnen sagen, von wo jemand weg- und wo er hingezogen ist. Sie müssen einfach einen Interessennachweis mitbringen.«
»Was ist das?«
»Einen Vertrag, eine Gerichtsurkunde, einen Verlustschein des Betreibungsamts oder sonst einen Beweis, dass er Ihnen Geld schuldet.«
»Er schuldet mir kein Geld.«
»Manchmal genügt auch eine glaubwürdige Erklärung, weshalb Sie ihn finden müssen. Die sind heutzutage nicht mehr so stur auf den Ämtern.«
»Gute Idee«, sagte er, »danke für den Tipp.« Er stand auf, verabschiedete sich und wollte gehen.
»Und die Unterlagen?« Die Frau deutete auf das Kuvert, das Allmen auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte.
Er kam zurück und nahm es an sich. »Das Wichtigste fast vergessen«, sagte er kopfschüttelnd.
»Je nach Auftragsvolumen«, rief sie ihm nach, »bieten wir interessante Konditionen.«
5
Der Tag war so warm, dass Carlos Ceviche gemacht hatte: in Limettensaft, Chili, Koriander, Ingwer und Zwiebeln marinierter roher Fisch. Er servierte es draußen auf dem Gartentisch unter dem Zwetschgenbaum, der nie Früchte trug, weil er zu wenig Sonne abbekam.
Allmen hatte das Essen als Business Lunch deklariert, um Carlos dazu zu bringen, sich mit ihm an den Tisch zu setzen. Sonst bestand dieser darauf, ihm die Mahlzeiten in weißer Kellnerjacke zu servieren, während er selbst in der Küche aß.
Drüben in der Villa war auch Mittagspause. Ein paar Angestellte der Treuhandfirma nutzten den Sommertag und aßen ihre Sandwichs auf den Parkbänken, die die Geschäftsleitung hatte aufstellen lassen. In Sicht-, aber nicht in
Weitere Kostenlose Bücher