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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Tänzerin verbeugte sich sehr tief. Mit dem Rücken zum spärlichen Publikum. Allmen war der Einzige, der applaudierte.
    Er wandte sich wieder seinem Drink zu. Die Matrone hinter der Bar lächelte ihn an und leerte ihr Glas.
     
    »Noch einen?«, fragte Allmen.
    Sie schenkte sich ein und kam näher. »Was führt Sie in die Gegend? Geschäfte?«
    »Auch. Und bei der Gelegenheit wollte ich einen Bekannten besuchen, der in der Nähe wohnt. Aber er ist umgezogen, und ich weiß nicht, wohin.«
    »So nahe am Flughafen sind die Menschen nicht sehr sesshaft. Entweder vertreibt sie der Lärm, oder sie sind auf der Durchreise.« Sie sah an ihm vorbei in den Club. »Möchten Sie Gesellschaft?«
    »Ich habe Gesellschaft.«
    Sie sah wieder an ihm vorbei und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    »Er heißt Sokolow. Artjom Sokolow.«
    »Hier haben die Gäste selten einen Namen. Wie sieht er denn aus?«
    Allmen zögerte. Dann nahm er Sokolows Foto aus der Brieftasche und reichte es ihr. Sie sah Allmen prüfend an. »Polizist sind Sie nicht, dafür sind Sie zu gut angezogen.«
    Sie ging zur Kasse, setzte eine Brille auf und knipste eine kleine Lampe an.
    Eine junge Asiatin nutzte Allmens vorübergehende Einsamkeit und setzte sich auf den Barstuhl neben ihm. Er erkannte die Stripperin von soeben.
    »Ganz allein?«, fragte sie.
    Die Bardame kam zurück und gab der Tänzerin mit einem schlaffen Handzeichen zu verstehen, sie solle verschwinden.
    »Schon okay«, sagte Allmen zur Barfrau. Und zur Stripperin: »Was trinken Sie?«
    »Piccolo«, lächelte sie.
    Allmen bestellte eine Flasche Dom Pérignon und musste erfahren, dass im Lonely Nights die Skala nur bis Veuve Clicquot reichte, chf 270.
    Die Stripperin hingegen war begeistert. Sie fiel Allmen um den Hals und vertraute ihm an, dass sie Rosy heiße. »Wie die Rose, aber ich steche nicht«, fügte sie hinzu.
    Die Barfrau, »Gerta« wurde sie von Rosy genannt, brachte den Champagner, den Eiskübel und zwei Gläser. Allmen bestellte ein drittes. Nicht, weil er vorhatte, zum Champagner zu wechseln. Aber er wusste, dass es in solchen Lokalen darum ging, die Flasche zu leeren. Nicht, sie zu trinken.
    Aber im Lonely Nights in Schwarzegg galten andere Regeln. Hier wurde so selten Veuve Clicquot bestellt, dass er mit Vergnügen getrunken wurde.
    Gerta schenkte also drei Gläser voll und stieß mit an. Danach gab sie ihm das Foto zurück. »Kann sein, dass der schon hier war.«
    Rosy nahm ihm das Bild aus der Hand. »Sieht aus wie der Russe.«
    »Russen gibt’s hier viele«, warf Gerta dazwischen.
    »Der mit den neun Flaschen.«
    Gerta studierte das Bild noch einmal gründlich und gab es Allmen zurück. »Möglich.«
    »Ganz bestimmt. Ich habe ihn von näher gesehen als du«, sagte Rosy vieldeutig.
    »Wenn es der ist«, erläuterte die Barfrau Allmen, »dann hat der mal neun Flaschen Champagner springen lassen. Zwar nicht Veuve Clicquot, nur Haus-Champagner, aber immerhin. Geburtstag gehabt oder so.«
    »Nicht Geburtstag«, korrigierte Rosy, »ein super Geschäft, hat er gesagt. Er feiere ein super Geschäft.«
    »Wann war das?«
    Die Frauen sahen sich fragend an. »Vielleicht vor einem Monat«, schlug Gerta vor. Rosy gab ihr recht.
    Allmen war enttäuscht. Das lag zu lange zurück. Den rosa Diamanten konnte Sokolow mit diesen neun Flaschen Champagner nicht gefeiert haben.
    »Moment«, murmelte Gerta und entfernte sich. Allmen sah, wie sie ein paar Worte mit den beiden Männern am Ende der Bar wechselte. Einer der beiden begleitete sie zurück.
    Gerta stellte den Mann als Ted vor. Er war ein kleiner struppiger Ire, der aussah wie ein Jockey im Ruhestand.
    »Könnten Sie Ted das Foto zeigen?«, bat die Barfrau.
    Der Ire prüfte das Bild und nickte. »Sieht aus wie Arti. Ein bisschen jünger, aber Arti. Was wollen Sie von ihm?«
    »Ich war in der Gegend und wollte ihn besuchen, aber aus seiner Wohnung ist er ausgezogen, ohne eine Adresse zu hinterlassen.«
    Ted nickte. »Eben noch da und schon weg.«
    Allmen schüttelte lächelnd den Kopf. »Typisch Arti. Sitzleder hat er nie gehabt. Sie wissen nicht zufällig …«
    Ted stimmte in Allmens Kopfschütteln ein. »Und wenn ich es wüsste, ich würde es Ihnen nicht verraten. Wenn ein Mann keine Adresse hinterlässt, dann hat er dafür einen Grund.«
    Allmen pflichtete ihm uneingeschränkt bei. Er würde es von einem Freund auch nicht anders erwarten. »Aber vielleicht kann mir sein Arbeitgeber weiterhelfen«, schlug er vor.
    Ted hob die Schultern.

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